Historical Saison Band 15
Die Stirn gerunzelt, hielt Mrs Tatton erneut inne. „Ich mache mir Vorwürfe, weil es dazu kommen musste“, fügte sie leise hinzu, damit ihr Enkel die Worte nicht hörte, und betupfte ihre Lider mit einem kleinen weißen Taschentuch.
„Beruhige dich, Mama, sonst regst du Archie auf“, flüsterte Arabella und schaute zu ihrem Sohn hinüber, der jedoch beschäftigt war und auf einem imaginären Pferd ritt.
„Tut mir so leid, dass du die Geliebte eines reichen Mannes wurdest, Arabella.“
„So schlimm ist es nicht, Mama. Davon profitieren wir alle.“
„Hast du mit den Dienstboten gesprochen?“
„Mit dem Butler.“
„Werden die Bediensteten Archies und meine Anwesenheit geheim halten?“
„Ja, ganz sicher.“
„Gott sei Dank …“, seufzte Mrs Tatton. „Was für ein Mann ist dein Beschützer? Alt und gebieterisch? Verheiratet? Ich sorge mich um dich, denn manche Männer sind …“ Verlegen unterbrach sie sich.
„Keine Bange.“ Besänftigend streichelte Arabella den Arm der alten Frau. „Er ist …“ Was sollte sie über Dominic erzählen? So viele Wörter kamen ihr in den Sinn, und kein einziges würde ihrer Mutter die Angst nehmen. „Großzügig. Nicht unfreundlich.“ Aber wie er sich vor fast sechs Jahren benommen hatte – das war sehr unfreundlich gewesen. „So etwas ist bei einem finanziellen Arrangement wichtig.“
Unbehaglich senkte Mrs Tatton den Kopf.
„Mit dem Geld, das er mir gibt, werden wir sparsam haushalten“, entschied Arabella. „Jeden Penny drehen wir um. Dann können wir schon bald mit Archie fortgehen. Am besten ziehen wir aufs Land zurück, mieten ein kleines Cottage mit einem Garten und führen ein respektables Leben.“ Als dürfte sie sich jemals wieder respektabel nennen … Nichts würde sie von der Schande befreien. Aber sie hängte sich lächelnd bei ihrer Mutter ein. „Alles wird gut, du wirst es schon sehen.“
„Ein Cottage auf dem Land – das würde mir gefallen.“ Mrs Tattons Miene erhellte sich ein wenig. „Dein Papa, du und ich waren sehr glücklich in Amersham.“
Lächelnd schlenderten sie weiter und gaukelten einander vor, die Situation wäre gar nicht so schlimm, wie sie aussah. Doch daran glaubten sie beide nicht. Ohne die Spannung zu spüren, die in der Luft lag, rannte Archie fröhlich um die beiden Frauen herum.
Dominic redete sich ein, es sei ein Tag wie jeder andere. Aber das stimmte nicht, denn an diesem Freitagabend würde Arabella ihn in der Curzon Street erwarten.
Einen Großteil des Tages verbrachte er mit seinem Gutsverwalter, der aus Amersham nach London gekommen war, in der Bibliothek. Dort diskutierten sie über landwirtschaftliche Angelegenheiten, insbesondere über technische Neuerungen wie die von Andrew Meikle erfundene Dreschmaschine.
Danach ging Dominic mit Hunter, Northcote und Bullford auf einen Drink in den White’s Club. Aber er war zerstreut und nicht allzu gut gelaunt – so wie immer seit der Begegnung mit Arabella nach so vielen Jahren. Mit jedem Tag wuchs sein Unbehagen – statt eines heißen Verlangens nach ihrem schönen, warmen nackten Körper, das er empfinden müsste.
Überleben. Dieses Wort ging ihm nicht aus dem Sinn. Er stellte sein Weinglas so heftig auf dem Tisch ab, dass es einen Knall gab.
„He, Arlesford, was ist los?“, fragte Bullford.
Dominic wandte sich zu seinen Freunden, die ihn erwartungsvoll anstarrten. „Tut mir leid, ich habe nicht gehört, was du gesagt hast.“ Betont lässig spielte er mit dem Stiel seines Glases und versuchte eine Gelöstheit vorzutäuschen, die er beileibe nicht empfand.
„Soeben habe ich erwähnt, der junge Northcote würde gern eine neue Spielhölle im East End ausprobieren“, erklärte Bullford. „Offenbar geht’s da abenteuerlich zu, nichts für schwache Nerven. Wenn dort jemand die Kartentische abräumen kann, dann nur du mit Hunters Hilfe. Der ist dazu bereit. Kommst du mit?“
„Heute Abend nicht“, erwiderte Dominic nach kurzem Zögern. „Ich habe andere Pläne.“ In seiner Fantasie hörte er eine leise Stimme. Das ist mein erster Abend in diesem Haus. Verzeihen Sie, wenn ich mit der üblichen Etikette noch nicht vertraut bin. Hastig verdrängte er die Erinnerung.
Bullford grinste anzüglich. „Ah, die schöne Miss Noir! Wie ich höre, hast du sie Mrs Silver abgekauft. Versteckst du ihre erotischen Reize an einem sicheren Ort, damit sie keine anderen lüsternen Gentlemen verlockt?“
Erbost über diese geringschätzigen
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