Historical Saison Band 15
bestärkten sie in ihrem Entschluss, den das bevorstehende Wiedersehen mit Dominic ins Wanken gebracht hatte.
„Danke, Mama.“ Sie küsste die Wange ihrer Mutter. Bevor die Tränen zu fließen drohten, zog sie die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf, eilte aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Zum Glück war die Kutsche leer, Dominic würde ihre Mutter und Archie nicht entdecken, die am Rand des schmutzigen Fensters standen und herabspähten. Und er wird mich nicht weinen sehen.
Auch in dem Stadthaus, das er für sie gemietet hatte, wartete er nicht.
In der Eingangshalle des schönen Gebäudes an der achtbaren Curzon Street standen die Dienstboten in einer geordneten Reihe, als würden sie die Gattin des Dukes erwarten statt seiner Geliebten. Einerseits erleichterte ihr das höfliche Verhalten des Personals die Ankunft, andererseits erinnerte sie sich voller Wehmut an die Hoffnungen der naiven jungen Arabella, die so dumm gewesen war, einen künftigen Duke zu lieben.
Ehrerbietig verneigte sich der Butler, ein würdevoller älterer Mann. „Mein Name lautet Gemmell. Willkommen in der Curzon Street, Miss Tatton. Wir freuen uns sehr, Sie bei uns zu begrüßen.“
Mit diesem Namen war sie schon lange nicht mehr angesprochen worden. Jetzt hieß sie Arabella Marlbrook. Es ärgerte sie, dass Dominic ihren verstorbenen Ehemann ignorierte, der sie damals gerettet hatte. Sollte sie den Butler auf ihren richtigen Namen hinweisen? Nein, das wäre albern. Sie würde in Dominics Haus wohnen, von Dienstboten betreut, die er bezahlte. Außerdem wollte sie die Leute nicht verwirren, die sie bitten wollte, das Geheimnis um ihre Verwandten zu hüten.
Und so ging sie lächelnd an ihnen vorbei, prägte sich die Namen ein, die sie angaben, und versicherte ihnen, sie würden bestimmt gut miteinander auskommen.
Gemmell führte sie durch das Haus, und sie bemühte sich, die Barriere seiner Förmlichkeit zu durchbrechen, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Während er ihr im Salon Tee servierte, entlockte sie ihm endlich ein paar Geschichten über seine drei kleinen Enkelinnen und zehn Enkel. Vor drei Jahren war seine Frau Mary gestorben, die „beste Haushälterin von ganz England“. Zusammen mit ihr hatte er zwanzig Jahre lang für den Duke of Hamilton in dessen Jagdschloss in Schottland gearbeitet, bevor sie wegen der Kinder und Enkel nach Süden gezogen waren. Denn die Familie sei sehr wichtig, betonte er.
Dies hielt Arabella für den geeigneten Zeitpunkt, um ihre eigene Familie zu erwähnen. Und so erzählte sie von ihrem Sohn und ihrer Mutter. Nachdem sie die nötigsten Details verraten hatte, war Mr Gemmell wie erhofft sehr verständnisvoll gewesen. Sie wusste genauso wie er, wie riskant es war, das Personal zum Stillschweigen zu verpflichten. Doch sie benötigte seine Hilfe, weil sie keine andere Wahl hatte, und er versprach, den Leuten die nötigen Anweisungen zu geben. Dann brachte er ihr eine Nachricht, die Dominic für sie hinterlegt hatte, und zog sich zurück.
Die ausdrucksvolle Handschrift der Adresse auf dem Brief war ihr vertraut. Als sie das Siegel brach, pochte ihr Herz schneller.
In knappen Worten teilte er ihr mit, er hoffe, dass das Haus und die Einrichtung ihr zusagten. An diesem Abend würde er sie besuchen.
Natürlich, am Abend, dachte Arabella. Tagsüber tauchten Gentlemen nicht bei ihren Mätressen auf, da der Zweck solcher Besuche allgemein bekannt war. Aber vorerst wollte sie nicht an dieses Wiedersehen denken, sondern an erfreulichere Dinge. Sie läutete nach Gemmell und ließ die Kutsche in die Flower and Dean Street zurückschicken, um ihre Familie zu holen.
Am Nachmittag kam die Sonne hinter den Wolken hervor. Ein gutes Omen für die Zukunft, versicherte Arabella ihrer Mutter, während sie durch die Räume des Hauses in der Curzon Street wanderten. Immer wieder blieb Mrs Tatton stehen, um die schönen Möbel, die kostbaren Vorhänge und die funkelnden Kristalllüster zu bewundern.
„Diese Stühle stammen von Mr Chippendale, Arabella. Und dieser Damast kostet fast dreißig Shilling pro Yard. Ich habe gehört, der Prince of Wales hätte eine ähnliche Tapete im Carlton House.“
Nachdem Archie so lange im winzigen Zimmer in der Pension an der Flower and Dean Street eingeschlossen gewesen war, rannte er jubelnd durch die großen Räume. In vollen Zügen genoss er die ungewohnte Freiheit.
„Wie großartig das alles ist … Dieser Gentleman muss wirklich sehr reich sein.“
Weitere Kostenlose Bücher