Historical Saison Band 15
hundertsten Mal ihren Rock glatt und gab zumindest vor, sie würde sticken – obwohl sie plötzlich überlegte, dass Mätressen wohl kaum ihre Zeit mit Nadel und Faden verbrachten.
Zum ersten Mal würde jemand die Geliebte des Dukes in ihr sehen. Um das Gefühl ihrer Erniedrigung zu verhehlen, bemühte sie sich um eine ausdruckslose Miene.
Als Gemmell die Frau ins Wohnzimmer führte, hielt Arabella erschrocken den Atem an. Ausgerechnet diese Schneiderin …
Bedrückt erinnerte sie sich an jene dunklen Tage, die sie schließlich in Mrs Silvers Haus getrieben hatten. Eigentlich musste sie die Begegnung mit Madame Boisseron nicht fürchten. Denn Arabella hatte im Lauf ihrer Arbeitssuche bei allen Damen- und Herrenschneiderinnen, Kostümbildnerinnen und Putzmacherinnen in ganz London vorgesprochen, auch bei sämtlichen Herstellern von Miederwaren. Ohne Erfolg. Ganz egal, welche Schneiderin an diesem Nachmittag ins Haus an der Curzon Street gekommen wäre – sie hätte sie wiedererkannt.
Und da sie in Madame Boisserons Salon Mrs Silver kennengelernt hatte, empfand Arabella ihre Demütigung noch schmerzlicher.
Falls Madame sie erkannte, war sie klug genug, es nicht zu zeigen. Und da Arabella keine Wahl hatte, bezwang sie ihre Verlegenheit und meisterte die Situation, so gut sie es vermochte.
Als die kleine Frau mit den dunklen Augen und dem französischen Akzent ein Musterbuch hervorholte, war Dominic noch immer nicht angekommen. Arabella schaute zur Uhr hinüber. Eigentlich musste sie auf ihn warten. Doch der Gedanke, er würde ihr die Garderobe vorschreiben, die sie für ihn tragen sollte – womöglich auch die Unterwäsche, erzürnte sie. Und so begann sie in dem Buch zu blättern.
Manche Entwürfe waren eindeutig obszön, bedeckten kaum die Brüste oder entblößen sogar die Brustwarzen und betonten aufs Intimste die weibliche Figur. Fast nirgends entdeckte Arabella einen Unterschied zu dem schwarzen Seidenkleid, das sie gezwungenermaßen im Bordell getragen hatte.
„Das da.“ Sie zeigte auf eine Skizze. „Mit kleinerem Ausschnitt und aus dickerem Stoff.“
Erstaunt hob Madame Boisseron den Kopf. „Sind Sie sicher, Madame? Normalerweise bevorzugen die Gentlemen …“, sie unterbrach sich kurz, „… ihre Damen in etwas gewagterer Kleidung.“
„Davon konnte ich mich zur Genüge überzeugen. Wenn Sie also so freundlich wären …“
„Gewiss, Madame. Immerhin betonte Seine Gnaden, die Entscheidung würde bei Ihnen liegen.“
„Tatsächlich …“ Gerade noch rechtzeitig verhinderte Arabella, dass dieses Wort wie eine Frage klang, damit der Anschein entstand, das hätte sie ohnehin gewusst.
„Nur wenige Gentlemen erlauben ihren Damen, eine ganze Garderobe allein auszuwählen. Ich war wirklich verblüfft, als Seine Gnaden mich beauftragte, Sie aufzusuchen, und erwähnte, er würde nicht anwesend sein. Nur wenn Sie zufrieden sind, wird er mich bezahlen, Madam … Ein ungewöhnlicher Mann, non ?“
„Sehr ungewöhnlich“, bestätigte Arabella. Also würde Dominic an diesem Nachmittag nicht zu ihr kommen. Verstohlen atmete sie auf und schaute nicht mehr zur Uhr hinüber.
Um drei Uhr hatte die Schneiderin Maß bei ihr genommen. Zweimal studierten sie das Musterbuch mit den Stoffen, und Arabella bestellte eine kleine, konservative Garderobe. Zweifellos war Madame Boisseron enttäuscht, weil sie wusste, dass der Duke seiner Mätresse eine unbeschränkte Vollmacht erteilt hatte und ihr gestattete, sich alle Wünsche zu erfüllen. Aber die Schneiderin lächelte nur leicht verkniffen und versprach, sie würde jedes Kleid liefern, sobald es fertig sei.
Sobald sich die Tür hinter der Französin geschlossen hatte, eilte Arabella die Stufen zu Archie und ihrer Mutter, die wohl inzwischen von ihrem Spaziergang zurück waren, und verbannte Dominic Furneaux vorerst aus ihren Gedanken.
Allzu lange konnte sie ihn nicht vergessen. Während der Abend dämmerte, saß sie allein im Salon und wartete auf Dominic. Natürlich musste sie ihm danken, weil er ihr so großzügig die Auswahl der neuen Garderobe überlassen hatte.
Die Uhr tickte etwas zu laut. Langsam krochen die Zeiger voran, die Stickerei in ihrem Schoß blieb unberührt. Was würde er sagen – was sollte sie zu ihm sagen? Vor allem fürchtete sie den Moment, wo sie mit ihm ins Bett gehen musste.
Aber er kam in dieser Nacht nicht zu ihr, auch nicht in der nächsten und übernächsten.
Dominic versuchte die Buchführung für sein ausgedehntes
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