Historical Saison Band 15
beherrschte sich, denn ein Faustkampf mit Misbourne würde die falsche Aufmerksamkeit erregen. „Entschuldigen Sie uns, wir wollten gerade gehen.“
„Sicher nicht, bevor Sie mich mit Ihrer Freundin bekannt gemacht haben. Könnte das die reizvolle Miss Noir sein, über die man so viele Geschichten hört?“ Grinsend spähte Misbourne an ihm vorbei auf Arabella.
Helle Wut flammte in Dominic auf, und sein abgrundtiefer Hass gegen den Earl hätte ihn beinahe bewogen, den Mann doch niederzuschlagen. Aber da spürte er Arabellas besänftigende Hand auf seinem Arm und kam zur Besinnung.
„Gute Nacht, Misbourne“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Wie die glitzernden Knopfaugen hinter der Maske bekundeten, verstand der ältere Mann die Botschaft und trat beiseite.
Dominic umfasste Arabellas Ellbogen – dankbar, weil sie ihn an einer Blamage gehindert hatte.
Während sie davongingen und dann den Vergnügungspark verließen, stellte sie keine Fragen. Und er schwieg ebenfalls.
Die Kutsche steuerte die Curzon Street an. Noch immer hatte Dominic kein einziges Wort gesagt. Arabella spürte seine innere Anspannung, ein Echo des Zorns, den der Mann namens Misbourne in den Vauxhall Gardens geweckt hatte.
Sobald er mit seiner Begleiterin aufgetaucht war, hatten sich die schönen Illusionen verflüchtigt.
Schließlich brach Arabella das Schweigen. „Weiß die Londoner Gesellschaft, dass du mich Miss Silver abgekauft hast?“ Noch länger konnte sie die Frage, die ihr auf der Zunge brannte, nicht zurückhalten.
Der Wagen rollte an einer Straßenlaterne vorbei. Im kurzen Lichtschein sah sie Dominics verschlossene Miene – eine Antwort, die ihr genügte.
„Wie naiv von mir, das nicht zu erkennen …“ Sie schüttelte den Kopf und fühlte sich elend. „Was wissen die Leute sonst noch?“ Was hast du ihnen erzählt, wollte sie ihn anschreien.
„Hoffentlich nichts. Ich habe Mrs Silver und ihre Mädchen sehr großzügig für ihr Schweigen bezahlt … Und meinen Freunden, die mit mir an jenem Abend das Etablissement besucht haben, vertraue ich. Sie werden Miss Noir nicht erwähnen.“
„Hast du ihnen alles erzählt?“
„Natürlich nicht, Arabella! Mein Privatleben geht nur mich etwas an und soll niemanden zu amüsantem Geschwätz animieren.“ Seine Stimme klang hart und ärgerlich. „Glaubst du, sonst hätte ich mich so sehr bemüht, dich zu verstecken?“
„Ja, du hütest deinen Ruf sehr wirkungsvoll.“ Offenbar wollte er nur sich selbst schützen. Wie dumm von ihr, sich einzubilden, es wäre jemals um sie gegangen …
„Auch deinen, zumindest was davon noch übrig ist“, entgegnete Dominic grimmig. „Ein heikles Thema, denn es ist mir durchaus bewusst, wie erschüttert deine Mutter reagieren würde, wenn ihr etwas von deiner Tätigkeit im Bordell zu Ohren käme.“
„Gott bewahre …“ Entsetzt presste Arabella eine Hand auf ihre Stirn, dennoch verstand sie nicht, warum er sich um ihre Mutter sorgte.
„Vielleicht wissen die Leute über Miss Noir Bescheid. Aber die Frau hinter der Maske kennen sie nicht.“
Noch nicht.
Unausgesprochen hingen die Worte zwischen ihnen in der Luft.
„Sei beruhigt, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um das zu verhindern“, kündigte er an. „Ich ziehe diskrete Erkundigungen ein und …“
„Nein!“, unterbrach sie ihn etwas zu schnell. Wenn er anfing, Fragen zu stellen – was mochte er herausfinden? Alles, was sie verbergen musste? „Nein“, wiederholte sie in sanfterem Ton. „Mit Nachforschungen würdest du Neugier erregen und die Situation womöglich verschlimmern. Da du ein Duke bist, interessiert man sich für alle deine Aktivitäten. Und die Lockung des Geldes würde gewisse Menschen veranlassen, ihr Schweigen zu brechen.“ Was sie niemandem verübeln dürfte … nur zu gut wusste sie, was bittere Armut bedeutete und wozu sie Menschen verleiten konnte.
„Mag sein, aber ich konnte stets die nötige Diskretion erkaufen, wenn ich schnell genug vorging und mich großzügig zeigte.“
„Diesmal nicht.“
„Nein, anscheinend nicht.“
Nun entstand ein kurzes Schweigen.
„Danke, dass du es trotzdem versucht hast“, sagte Arabella schließlich. Die Worte klangen gestelzt, denn es fiel ihr schwer, Dominic zu danken. Andererseits könnte es ihr viel schlechter ergehen, würde er sie als seine Geliebte ebenso leichtfertig behandeln wie damals, als sie noch seine Verlobte war.
Während die Kutsche weiterrollte,
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