Historical Saison Band 15
doch nur anschauen …“ Seufzend ergriff Mrs Tatton die Hand ihrer Tochter. „Sei vorsichtig, wenn du mit Dominic Verhandlungen über die Zukunft führst. Denk an das Wohl deines Sohnes und an dein eigenes.“
„Verhandlungen? Das hört sich so an, als müsste ich ein neues Arrangement mit einem Beschützer regeln!“
„Ist es denn etwas anderes?“
„Oh ja!“
„Was denn?“
Um eine Antwort verlegen, wandte Arabella sich ab. In welche Situation sie alle geraten waren, wusste sie selber nicht – ebenso wenig, wie sie ihre Empfindungen beschreiben sollte. Verwirrung und Hoffnung und Seelenqualen. Liebe und Zorn und Verbitterung. Alles durcheinander … Und dazu die Unfähigkeit, an die Tatsachen zu glauben, das Gefühl, sie müsste aus einem grausigen Albtraum erwachen. Ihr Herz schmerzte, obwohl sie Dominic liebte und er ihre Liebe anscheinend erwiderte. Aber es war zu spät.
Vielleicht hat Mama recht, dachte sie, es wird kein glückliches Ende geben. Mochte sie es auch drehen und wenden, wie sie wollte – er hatte sie in einem Bordell gekauft und zu seiner Geliebten gemacht. Daran ließ sich nichts ändern.
„Mrs Tatton.“ Höflich verneigte Dominic sich vor Arabellas Mutter.
„Euer Gnaden“, murmelte sie widerstrebend. Mit ihren Blicken schien sie ihn erdolchen zu wollen.
Als er sich zu dem kleinen Jungen umdrehte, verspürte er eine beglückende Zärtlichkeit. Archie war eine kindliche Miniaturausgabe von ihm, hatte die gleichen dunkelbraunen Augen, das gleiche energische Kinn, das Haar war nur ein wenig heller.
„Dominic, das ist Archie“, stellte Arabella ihren Sohn vor und legte dem Kleinen beruhigend eine Hand auf seine Schulter.
„Sind Sie der Freund von meiner Mama?“, fragte Archie.
Nur flüchtig begegnete Dominic dem Blick Arabellas, bevor er sich wieder zu Archie wandte, in dessen Miene er unschuldige Neugier las. Er kauerte sich auf den Boden, damit der Kleine nicht den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzuschauen.
„Auch dein Freund, Archie.“ Deutlich spürte er die Missbilligung Mrs Tattons, die schräg hinter ihm in einem Sessel saß. Doch er achtete nicht darauf.
„Das ist Dominic“, erklärte Arabella dem Kind.
Dein Vater, wollte er hinzufügen. Aber er gab ihr recht, sie mussten behutsam vorgehen und durften nichts überstürzen.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir“, sagte Archie und verbeugte sich formvollendet.
„Und ich freue mich, dich kennenzulernen, Archie.“ Mein Sohn, mein Fleisch und Blut … „Deine Mama hat mir erzählt, dass du Pferde magst.“
„Oh ja!“
„Dann sind wir schon zwei“, bemerkte Dominic lächelnd.
Als der Junge dieses Lächeln erwiderte, wurde sein Herz von überwältigender Liebe erfüllt. Plötzlich fürchtete er, Tränen würden seine Augen verschleiern, stand rasch auf und räusperte sich. „Morgen komme ich wieder, Arabella.“
Sie nickte und betrachtete das Kind so liebevoll, dass er erneut weinen wollte.
Hastig verneigte er sich vor den beiden Frauen und flüchtete aus dem Salon.
Dominic entließ seinen Sekretär, der den Terminkalender voller versäumter gesellschaftlicher Ereignisse und Verabredungen noch in der Hand hielt, schloss die Bibliothekstür im Arlesford House am Berkeley Square und lehnte sich dagegen. Langsam schweifte sein Blick über den Schreibtisch und die Bücherregale. Hier sah es genauso aus wie bei seinem letzten Aufenthalt in diesem Raum vor vierundzwanzig Stunden. Und doch war alles anders geworden. Nichts würde jemals wieder so sein wie früher. Er entsann sich, was der alte Duke verschuldet hatte, was aus Arabella geworden war. Und er dachte an den kleinen Jungen, der seinen Vater nicht kannte.
In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Sinn, zu viele widersprüchliche Emotionen bewegten ihn. Wut über den Betrug, Bitterkeit, Schmerz und Bedauern … das dringende Bedürfnis, seinen Sohn und dessen Mutter zu schützen und … Liebe!
Am nächsten Morgen begleiteten ihn die Gedanken immer noch. Er schob seinen Frühstücksteller mit den kaum angerührten geräucherten Bücklingen und den Spiegeleiern beiseite.
Entschlossen läutete er nach einem Lakaien, ließ sich Papier, Tinte und eine Feder bringen.
An diesem Tag fuhr er nicht zum Carlton House, um den Prinzregenten zu treffen, sondern in die Curzon Street.
Arabella beobachtete Vater und Sohn, die einander so frappierend glichen. Nicht zum ersten Mal versuchte sie eine innere
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