Historical Saison Band 16 (German Edition)
Charlotte als seine Tochter akzeptierte.
In diesem Augenblick scheuchte ihr Pferd, das in der Nähe graste, einen Fasan auf. Belle fuhr zusammen, und sofort legte Lance die Hände auf ihre Arme, um sie zu beruhigen.
„Der Vogel hat mich erschreckt“, hauchte sie, obwohl ihr bewusst war, dass ihre Anspannung viel mehr von Lances sanfter Berührung herrührte als vom Auffliegen des Fasans. Auch er schien sich der Intimität des Moments bewusst zu sein, denn sein Blick senkte sich auf ihren Mund. Würde er sie küssen? Doch zu ihrer Enttäuschung ließ er sie wieder los.
„Ich denke, es ist Zeit, dass wir zu deiner Großmutter gehen. Inzwischen wird meine Mutter eingetroffen sein und sich fragen, wo wir sind.“
Belle hatte befürchtet, es würde schwierig für ihre Großmutter sein, eine Familie zu empfangen, von der sie sich viele Jahre ferngehalten hatte. Doch als sie die Countess im Schatten des Sonnenschirms liebenswürdig mit Lances Mutter plaudern sah, begriff sie, dass zur Sorge kein Anlass bestand.
„Wie ich sehe, habt ihr zwei euch schon kennengelernt“, stellte Lance fest und begrüßte seine Mutter mit einem Kuss auf die Wange.
Elizabeth lächelte Belle und ihren Sohn an. „Es ist gut, dass wir uns endlich begegnet sind.“ Freundlich legte sie ihrer Schwiegertochter die Hand auf den Arm. „Ich schäme mich, meine Liebe, dass ich schon so früh über Charlotte gesprochen habe.“ Sie war entschlossen, in Lances Gegenwart offen über ihre Enkelin zu sprechen. Er musste begreifen und akzeptieren, dass das Kind zu seinem Leben gehörte. „Wie hat sie sich in Ryhill eingelebt?“
„Sehr gut“, erwiderte Belle. „Sie ist ein bezauberndes Kind, das jeden sofort für sich einnimmt.“ Jeden, außer den Menschen, der dem Kind am nächsten stehen sollte, dachte sie traurig. Lance zeigte nicht das geringste Interesse an der Unterhaltung über seine Tochter, doch inzwischen wusste Belle, dass er sich nicht so verhielt, weil er ein kaltes Herz hatte. Er hatte Angst. Angst, dass er die ganze Last der Schuld allein tragen musste, wenn er aufhörte, Delphines Tod Charlotte anzulasten.
10. KAPITEL
U nvermittelt fand er sich auf dem Treppenabsatz vor dem Kinderzimmer wieder, ohne genau zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Nachdem er einen Augenblick unentschlossen verharrt hatte, stieß Lance die Tür auf und richtete den Blick auf das Gitterbett, in dem Charlotte schlief. Sie hatte die Decke weggestrampelt, sodass ihre Beinchen unbedeckt waren. Er wollte nicht, dass die Kinderfrau im Nachbarzimmer ihn bemerkte, und musste auch vermeiden, das Kind zu wecken. Deshalb schob er sich sehr vorsichtig an das kleine Bett heran, um einen genaueren Blick auf seine Tochter zu werfen.
Die überwältigenden Gefühle, die in ihm aufstiegen, trafen ihn vollkommen unerwartet. Er schnappte nach Luft und kämpfte um Beherrschung, während die Erinnerungen an die Umstände ihrer Geburt auf ihn einstürmten. Er musste daran denken, wie er sie als Neugeborene ganz kurz im Arm gehalten und Delphine versprochen hatte, für sie zu sorgen. Er hatte Delphine gegenüber jämmerlich versagt. Wie hatte er dieses Kind aus seinem Leben ausschließen und es wahllos jedem überlassen können, der bereit war, sich um sie zu kümmern?
Da er sie seit der Nacht ihrer Geburt nicht mehr gesehen hatte, hegte er ihr gegenüber keine Gefühle – abgesehen von der Tatsache, dass er ihr, gemeinsam mit sich selbst, die Schuld an Delphines Tod gab. Plötzlich überkamen ihn Scham und Reue, als er das schlafende Baby betrachtete. Dieses Kind war sein eigen Fleisch und Blut, und er kannte nicht einmal seine Augenfarbe!
Er dachte daran, wie er Belle beschimpft hatte. Belle, die vor Mut und Stärke leuchtete, die loyal war und die Schwächeren beschützte. Er hatte ihr befohlen, Charlotte fortzubringen. Voller Mitgefühl hatte Belle sich ihm furchtlos entgegengestellt.
Angesichts ihrer entschlossenen Stärke und ihres liebevollen Herzens hatte er erkannte, wie sie wirklich war, und wusste nun, dass er sie liebte. Es war ihr gelungen, all seine Schutzwälle niederzureißen, und er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie zu verlieren.
Er streckte die Hand vor und berührte eine der weichen Wangen Charlottes mit den Fingerspitzen. Das Kind gähnte. Etwas rührte sich in ihm und wuchs recht dramatisch zu einem Gefühl, das Lance zunächst nicht erkannte. Doch als er in sich hineinhorchte, war er sicher, dass er seine Freude daran haben würde. Und
Weitere Kostenlose Bücher