Historical Saison Band 16 (German Edition)
sie ihn in Rage brachte, würde er vielleicht gehen. Er würde sie noch früh genug hassen. Wenn er erst einmal ihr Geheimnis kannte, würde er sie dafür anklagen, dass sie hierhergekommen war und Unschuldige in ihre dunkle Welt hineingezogen hatte. Küsse und zärtliche Blicke würde es dann nicht mehr geben.
Sie irrte sich. Beldon war zwar wütend, aber dieser Ärger hatte den gegenteiligen Effekt. Statt zu gehen, trat er auf sie zu, fasste ihre Schultern und drehte sie zu sich. „Schauen Sie mich an, Lilya! Ich sage Ihnen noch einmal: Sie kennen mich nicht gut genug. Glauben Sie denn, dass ich weglaufe, wenn es Schwierigkeiten gibt? Glauben Sie, dass ich meine Freunde im Stich lasse, wenn sie mich brauchen? Und ich zähle Sie zu meinen Freunden.“
Das waren keine leeren Worte. Beldon war nicht von Valerians Seite gewichen, als man seinen Schwager des Hochverrats bezichtigt hatte. Er hatte alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel benutzt, um Val zu unterstützen, als er in Newgate auf seine Gerichtsverhandlung wartete. Beldon hatte Val in dessen schlimmsten Stunden beigestanden.
Lilya hatte ihn damals sehr bewundert. Dieser Fremde war Philippa und ihr eine große Hilfe gewesen. Nun bot er ihr dieselbe Unterstützung an. Sie war versucht, sein Angebot anzunehmen. Doch die Folgen für ihn hielten sie zurück. Sie würde nicht erlauben, dass er sich auf dem Altar der Ritterlichkeit für sie opferte.
„Sie sagen das nur, weil Sie nicht wissen, wer Ihr Gegner ist“, konterte Lilya.
„Das würde ich sehr gerne erfahren. Ich würde es wissen, wenn Sie es mir sagten. Wenn Sie es mir nicht sagen, werde ich blind kämpfen.“
„Das kann ich nicht zulassen.“
Beldons Frustration erreichte ihren Höhepunkt. „Unverstand wird mich gewiss nicht schützen, Lilya. Sie werden mich nicht vor Unheil bewahren, wenn Sie weiterhin so stur bleiben.“ Er schien sein Temperament kaum zügeln zu können, ballte seine Hände und öffnete sie wieder. Dann sank er auf eine steinerne Bank und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar.
Als er wieder sprach, klang seine Stimme ruhiger. „Wenn Sie nicht vernünftig sein wollen, dann ändert vielleicht die Geschichte, die ich Ihnen jetzt erzählen werde, Ihre Haltung.“ Er lud Lilya mit einer Geste ein, sich zu ihm zu setzen. Sie folgte der Einladung, ohne recht davon überzeugt zu sein, dass seine Geschichte ihre Haltung ändern würde. Aber sie war neugierig zu erfahren, was er ihr erzählen wollte.
„Lilya, Sie sind nicht die Erste, die versucht, mich vor Unannehmlichkeiten zu bewahren. Aber diese Versuche sind allesamt gescheitert – und sie haben nicht nur mich, sondern auch Valerian und Philippa eine Menge gekostet.“ Er schaute sie mit einem verzagten Lächeln an. „Eine Sache ignorieren zu wollen, schützt niemanden.“ Er griff wieder nach ihrer Hand.
„Mein Vater war ein großartiger Mann. Er hat seine Familie geliebt und Fehler großzügig verziehen. Wir besaßen ein beträchtliches Vermögen. Es wurde dafür verwendet, uns das Beste von allem zu bieten: teure Schulen, exzellente Pferde, schöne Kleidung und Juwelen für meine Mutter. Doch dann kam der Krieg und unsere Einkommensverhältnisse änderten sich. Mein Vater konnte sich nicht entschließen, die notwendigen wirtschaftlichen Korrekturen durchzuführen. Als der Krieg vorbei war, war die Schatzkammer der Pendennys so gut wie leer. Noch schlimmer: Einige unserer Kupferminen waren ebenfalls leer. Zuerst verschwanden kleine Dinge: selten getragene Juwelen und teure Ringe. Dann verschwanden größere Dinge, bis das Haus letztendlich fast leer war. Als Letztes versetzte er die Pferde und die Kutsche. Wir behielten drei Reitpferde. Doch das war nichts – verglichen mit den fünfzehn Spitzenpferden, die wir einmal besessen hatten. Philippa ging als Letzte.“ Er machte eine Pause. „Ja. Philippas Hochzeit mit dem außerordentlich reichen Marquis von Combourne war eigentlich ein Verkauf. Dann ging Val. Philippa und er waren jung und liebten sich. Er konnte nicht mit ansehen, dass sie einen anderen Mann heiratete. Aber was konnte er schon tun? Wenn er Philippa heiratete, würde er die Pendennys in die Armut reißen. Er war zu ehrenhaft, um sich für diese Lösung zu entscheiden. Als ich einundzwanzig Jahre alt war, hatte ich alles verloren, auch meine Schwester und meinen besten Freund.“ Er klang verbittert.
Die Neuigkeiten erstaunten Lilya. Sie hatte diesen Teil der Geschichte der Pendennys noch nie
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