Historical Saison Band 16 (German Edition)
Agyros bewegte sich zu langsam, um Beldons Angriff etwas entgegensetzen zu können. Beldon warf sich mit der Macht eines wütenden Stiers auf Agyros. Was fiel dem Mann ein, Beldons Frau anzufassen? Er zog ihn zurück, weg von Lilya.
Agyros war in ebenso schlechter Verfassung wie Beldon. Überrascht von Beldons Attacke stürzte er. Doch er besaß die Stärke eines Wahnsinnigen, der nichts zu verlieren hatte … und er trug ein Messer bei sich. Er krabbelte von Beldon weg und kam mit einem unbeholfenen Taumeln wieder auf die Füße. Seine Kleidung war zerrissen, sein Gesicht mit Schlamm verschmiert. Die Waffe in seiner Hand schimmerte im schwachen Licht des schwindenden Tages.
„Lassen Sie sie in Ruhe! Sie wollen Lilya doch gar nicht, Sie wollen mich!“ Beldon bedeutete ihm, näher zu kommen, und lockte ihn so von Lilyas Körper fort. Oh Gott, warum bewegte sie sich denn nicht? „Ich habe Sie jedes Mal geschlagen, wenn es nötig war, Agyros. Jetzt haben Sie eine weitere Chance, ihr Glück mit mir zu versuchen. Na los! Messen Sie sich mit einem richtigen Mann! Jeder Schwächling kann eine bewusstlose Frau überwältigen.“
Sein Sticheln zeigte Wirkung, denn nun torkelte Agyros in seine Richtung. Beldon fixierte das Messer in Agyros’ rechter Hand. Er würde ihn dazu verleiten, ihn anzugreifen. Wenn Agyros dabei hinfiel, würde er wahrscheinlich nicht mehr hochkommen. Liegend wäre er verwundbarer als stehend. Wie auch immer es ausgehen würde: Er wollte es schnell hinter sich bringen.
Er sah, was Agyros vorhatte, bevor er zustieß. Beldon ließ ihn näher kommen und trat im letzten Moment zur Seite. Agyros’ Messer stach in die Luft. Er verlor das Gleichgewicht, stolperte und fiel hin.
Beldon sprang – so gut er es gerade vermochte – nach vorne. Er wollte den Kampf so schnell wie möglich beenden. Doch der Kampf war bereits beendet. Christoph Agyros lag bewegungslos zwischen ein paar Felsbrocken. Im Fallen war sein Kopf gegen einen von ihnen gestoßen. Christoph Agyros war tot. Später würde Beldon realisieren, was das bedeutete: Der Krieg um den Diamanten war erst einmal zu Ende. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, seinen Sieg zu feiern. Er musste schauen, wie es Lilya ging.
Beldon humpelte zu ihr hin. Sie war bleich. Totenbleich. Beldon hielt seine Hand vor ihren Lippen und wartete auf ein Lebenszeichen. Bitte, bitte, bitte. Heute sollte ihr neues Leben beginnen und nicht enden.
Da! Sein Herz raste. Er spürte es wieder. Er fühlte eine schwache Bewegung an seiner Hand. Sie atmete. Schwach zwar, aber sie atmete. „Lilya.“ Er sprach ihren Namen aus und fuhr sanft mit der Hand über ihren Körper, suchte ihn nach Verletzungen ab. Sie stöhnte. Die Rippen, dachte er. Geprellt oder gebrochen. Er hoffte, sie waren nicht gebrochen. Eine gebrochene Rippe konnte alle möglichen gefährlichen Komplikationen bedeuten, nicht zuletzt eine durchstoßene Lunge. Beldon schloss die Augen und hoffte, dass es nicht so schlimm sein werde.
Lilya zitterte. Beldon zog sie an sich. Hoffentlich richtete er jetzt nicht noch mehr Schaden an. Aber vielleicht brachte seine Körperwärme sie wieder zur Besinnung. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte oder konnte. Seine eigene Kraft nahm rapide ab, seine Reserven würden bald aufgebraucht sein. Wenn er jetzt einschlief, würden sie vielleicht beide sterben. Wie lange konnten sie hier am Fuß der Klippe überleben? Es war kalt und sie waren beide verletzt. Niemand wusste, wo sie waren.
Die Erkenntnis, dass sein Plan am Ende vielleicht aufgegangen war, war bitter. Er hatte sie „sterben lassen“ wollen. Aber doch nicht so! Warum mussten sie nun sterben, wo Christoph Agyros besiegt war? Wo der Diamant in Sicherheit war? Welche Ironie des Schicksals, dass sie nun leicht fliehen konnten, aber dazu nicht mehr in der körperlichen Verfassung waren.
Beldon kämpfte gegen den Schlaf. Er würde sich nicht von ihm überwältigen lassen. Aber niemand konnte ewig gegen das Schicksal ankämpfen. Vielleicht gab es schlechtere Arten zu sterben, dachte er noch, bevor er langsam – Lilya fest umschlungen – seinen Widerstand aufzugeben begann. Immerhin würde er gemeinsam mit der Frau sterben, die er liebte. Und er hatte seinen ärgsten Feind besiegt.
Moment. Waren das Laternen da oben auf der Klippe? Es war möglich, dass seine Augen ihn zum Narren hielten. Da waren die Lichter wieder. Beldon wusste, dass das Licht dieser Laternen nicht zu ihnen herabreichen würde. Er und Lilya
Weitere Kostenlose Bücher