Historical Saison Band 16 (German Edition)
anderer Mann hätte es gewagt, hätte die Unverfrorenheit besessen, sich an die Enkelin der verwitweten Countess of Harworth heranzumachen. Sie befahl Isabelle sofort in den Salon.
Daisy hatte von den Gerüchten gehört und Belle erklärt, sie könne keine Gnade von ihrer Großmutter erwarten. Die Zofe vermutete, dass Belles geringe Lebenserfahrung sie nicht auf einen jungen Mann mit Carlton Robinsons Ruf vorbereitet hatte. Um nicht von einem unwissenden amerikanischen Mädchen als Narr hingestellt zu werden, hatte er den Spieß umgedreht. Spöttisch erzählte er seinen Freunden, die Amerikanerin sei ein lächerliches, hinterwäldlerisches kleines Ding, und es sei niemals seine Absicht gewesen, ihr ernsthaft den Hof zu machen.
Je weiter Belle sich dem Salon näherte, umso stärker wurde die böse Vorahnung, die sie spürte. Nachdem ihre Großmutter ihren Vortrag beendet hatte, empfand Belle tiefe Reue und Scham. Die Countess hatte keinen Hehl aus ihrem Zorn und ihrer Enttäuschung gemacht.
„Nun? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“
„Es tut mir so schrecklich leid, Großmutter. Es ist nichts passiert, bitte glaube mir. Wir … sind uns begegnet, als ich auf der Heide ausgeritten bin. Wir haben uns nur drei Mal getroffen. Er … hat gesagt, er genießt meine Gesellschaft. Ich mochte ihn nicht, also habe ich es beendet. Daisy hat mir erzählt, dass der abscheuliche Kerl ein paar schlimme Dinge über mich herumerzählt, die einfach nicht wahr sind.“
„Carlton Robinson erzählt ständig anstößige Dinge über andere Leute“, erklärte die Countess in trockenem Ton.
„Ich wollte wirklich nicht, dass so etwas passiert. Ich hatte keine Ahnung.“
„Es gibt eine Menge Dinge, von denen du keine Ahnung hast. Ein Mädchen, das gerade erst aus Amerika gekommen ist und nicht weiß, nach welchen Regeln wir hier leben – du warst ein leichtes Opfer für ihn.“ Müde schüttelte die Countess den Kopf und warf sich im Stillen vor, dass sie Isabelle zu viele Freiheiten gewährt hatte. „Ich akzeptiere, dass du unwissend bist, was die Art betrifft, wie wir die Dinge hier in England handhaben, Isabelle. Carlton Robinson ist ein eingebildeter, lüsterner Schnösel. Er nimmt dir übel, dass du ihn abgewiesen hast, und versuchte deshalb, deinen guten Ruf zu zerstören.“
„Es tut mir leid, Großmutter“, flüsterte Belle mit gebrochener Stimme und ehrlichem Bedauern. „Du bist ein großes Risiko eingegangen, als du mich bei dir aufgenommen hast.“ Sie sah ihre Großmutter aus weit aufgerissenen Augen an, in denen Tränen schimmerten. „Ich habe einen schrecklichen Charakter, und ich weiß nicht, wie ich mich richtig verhalten muss. Was sollen wir nur tun?“
Das Herz der Countess schmolz angesichts des reizenden, klugen, verwirrten Mädchens dahin, der Tochter ihres verstorbenen jüngeren Sohns. Von einer Sekunde auf die andere war ihr altes, treues Herz auf der Seite ihrer Enkelin, bereit, für sie zu kämpfen, da vollkommen zu Unrecht schlecht über sie geredet wurde.
„Wir werden tun, was die Ainsleys schon immer getan haben, Isabelle“, erklärte sie mit wesentlich sanfterer Stimme als zuvor. „Wir werden den Skandal ignorieren. Wenn der Zeitpunkt für dein Debüt herbeigekommen ist, wird die Sache hoffentlich durchgestanden sein.“
Und so begann die verwitwete Countess of Harworth, das natürliche, unverbildete Mädchen aus Amerika in eine ehrbare englische Dame zu verwandeln.
Miss Bertram, eine Frau mit untadeligem Charakter, wurde ins Haus bestellt, um Isabelle mit den Feinheiten der Etikette vertraut zu machen. Die Saison begann in wenigen Wochen. Es blieb zu hoffen, dass es Isabelle gelang, in dieser Zeit alles zu lernen, was sie als Debütantin wissen musste. Das Haus ihrer Großmutter in der Nähe von Hampstead Heath war beeindruckend, ohne erdrückend zu wirken. Hier lebte ihre Großmutter, wenn sie nach London kam, denn sie bevorzugte den Frieden und die Ruhe am Stadtrand, wo die Luft sauberer war.
Während der ersten Zeit nach ihrer Ankunft in England hatte Belle sich gegen alle Bemühungen ihrer Großmutter aufgelehnt, sie dazu zu bewegen, sich an das Leben hier anzupassen. Doch inzwischen akzeptierte sie ihre Situation, denn sie hatte eingesehen, dass sie keine Ahnung vom Lebensstil der feinen englischen Gesellschaft hatte. Unter Miss Bertrams strengen, unnachgiebigen Anleitung wurde sie ruhiger und arbeitete fleißig daran, alles zu lernen, was dazu beitragen konnte, die
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