Historical Saison Band 17
Lärm um Nichts“. Dicht neben ihr saß Joshua auf einem gleichfalls vergoldeten Stuhl. Immer wieder musterte er seine Verlobte, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Ihre weiche Wange forderte eine Berührung heraus. Aber die Anwesenheit ihres Vaters zwang ihn, die Schicklichkeit zu wahren. Sichtlich fasziniert, verfolgte sie die Ereignisse auf der Bühne. Nun hat sie meine Existenz vergessen, dachte er wehmütig. Doch das musste er nicht befürchten, denn ein paar Sekunden später schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln.
Ihr Vater rückte das rote Samtkissen hinter seinem Rücken zurecht, um ihn besser zu stützen. Für Alfredo war dieser Teil des Abends eine Tortur, und er konnte kaum die Augen offen halten. Als die Pause begann, folgte er dem Gastgeber nur zu gern ins Foyer, wo sie sich die Beine vertraten. Domino blieb lieber in der Loge, weil sie wusste, dass Joshua die Gelegenheit nutzen wollte, um sich mit seinem künftigen Schwiegervater anzufreunden. Und so studierte sie das Theaterprogramm.
Allzu lange konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Schon wenige Minuten, nachdem Joshua die Logentür geschlossen hatte, öffnete sie sich erneut, und eine schwüle Parfümwolke wehte herein, von raschelndem Taft begleitet. Erstaunt blickte Domino auf.
„Verzeihen Sie, meine Liebe“, gurrte die Duchess, „ich dachte, mein Besuch würde Ihnen nichts ausmachen. Höchste Zeit, dass wir unsere Bekanntschaft erneuern!“
Da Domino sich sofort an Joshuas Warnung erinnerte, lächelte sie höflich, schwieg jedoch. Sie würde gern glauben, dass die Herzogin ihr nicht schaden wollte. Aber eine innere Stimme flüsterte ihr etwas anderes zu. Dieser Frau hatte Joshua deutlich zu verstehen gegeben, er wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben. Hingegen mit mir sehr viel, dachte Domino glücklich. Diese Situation würde eine Freundschaft wohl kaum fördern.
„So lange haben wir uns nicht mehr unterhalten“, seufzte die Duchess. „Wir sind uns fast fremd geworden. Und das bedaure ich.“ Graziös sank sie auf einen der Stühle. „Wie schön Sie heute Abend aussehen, meine Liebe, so jung und lebensfroh! Das macht mich fast traurig.“
Domino sagte noch immer nichts. Glaubte die Duchess wirklich, mit solchen Komplimenten würde sie das Vertrauen wiederherstellen? „Eine Schande ist das …“
Jetzt horchte Domino auf. „Eine Schande?“
„Oh ja, eine grauenhafte Schande. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen, verstehen Sie?“
„Nein, leider verstehe ich gar nichts, Euer Gnaden“, erwiderte Domino in wachsender Sorge.
„Bitte, meine Liebe, nennen Sie mich Charlotte. Sicher kennen wir einander gut genug, um auf Förmlichkeiten zu verzichten.“
Domino schwieg. Was immer sie zu sagen hat, ich werde ihr nicht helfen …
„Ja, eine Schande“, wiederholte die Duchess nachdenklich. „Aber Sie sind noch sehr jung. Gewiss werden Sie über die Probleme hinwegkommen.“
Unwillkürlich runzelte Domino die Stirn. Das Katz-und-Maus-Spiel begann an ihren Nerven zu zerren.
„Wenn ich nicht wüsste, dass Sie sich sehr schnell von dieser beklagenswerten Information erholen werden, würde ich schweigen“, flötete Charlotte. „Allerdings finde ich, es ist Ihr gutes Recht, etwas zu erfahren, das sich auf Ihr künftiges Glück auswirken könnte.“
Jetzt hatte ihre Stimme jenen honigsüßen Klang angenommen, der Domino immer wieder den Magen umdrehte. Reglos saß sie da und wartete auf den drohenden Schicksalsschlag.
„Natürlich, vielleicht ist es gar kein Problem“, fuhr die Duchess fort. „Der Mann mag Ihnen nichts bedeuten. Aber ich möchte nichts riskieren. Dafür schätze ich Sie viel zu sehr.“
Wenn Papa und Joshua doch zurückkommen und dieses schreckliche Gespräch beenden würden …
„Nun, falls Sie sich nichts aus ihm machen – umso besser. Aber wenn doch …“ In gespielter Sorge senkte Charlotte ihre Stimme.
„Von wem reden wir?“, würgte Domino flüsternd hervor. Als ob sie es nicht wüsste …
„Von wem? Selbstverständlich geht es um Mr Marchmain.“
„Und warum sollte mich das interessieren?“
„Muss ich Sie daran erinnern, dass Sie heute Abend mit ihm hier sind?“, fragte die Duchess in schelmischem Ton.
„Mit meinem Vater. Mr Marchmain hat uns eingeladen.“
„Oh, wie nett von ihm! Einen so wunderbaren Abend dürfte ich nicht verderben.“ Charlotte stand auf und wandte sich zur Tür.
Was ist denn so schrecklich, wollte Domino schreien. Was wissen Sie? Aber sie blieb unbewegt
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