Historical Saison Band 17
Chapel Royal war ein klassizistisches Gebäude mit runden Fenstern und dorischen Säulen vor dem Haupteingang, wo sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Endlich näherten Domino und ihr Vater sich dem imposanten Kirchentor. Da entstand eine Bewegung hinter ihnen, weil ein Dienstbote seinem Herrn den Weg bahnte. Sie drehte sich um, wollte feststellen, wer diese bedeutsame Persönlichkeit war, und erschrak. Diesen Mann hatte sie bei ihrem letzten Aufenthalt in England hassen gelernt.
Lord Leo Moncaster lächelte sie grimmig an. „Miss da Silva? Welch eine Überraschung! Und ich dachte, ich würde Sie nie wiedersehen.“
Auch ihr Vater drehte sich um und musterte die verächtliche Miene des Fremden. „Belästigt dich dieser Gentleman, Domino?“
Hastig beruhigte sie ihn und wandte sich ab.
„Wie ich sehe, haben Sie diesmal Verstärkung mitgebracht.“ Moncaster grinste noch höhnischer. „Weilt auch Ihre Tante in Brighton, jederzeit bestrebt, Sie zu verteidigen?“
„Lady Blythe ist in London geblieben, Sir. Allerdings sehe ich keinen Grund, warum Sie das interessieren sollte.“
„Oh, da irren Sie sich, Miss da Silva. Alles, was mit Ihnen zusammenhängt, interessiert mich brennend. Im Gegensatz zu Ihnen besitze ich ein ausgezeichnetes Gedächtnis.“ Mit diesen Worten schob er sich an Domino vorbei und betrat die Kirche.
Entnervt zitterte sie am ganzen Körper. Aber ihr Vater sollte ihre Bestürzung nicht bemerken, und so lächelte sie tapfer. „Gehen wir hinein.“
Die Begegnung mit Leo Moncaster schockierte sie zutiefst. Bei ihrer Übersiedlung nach Brighton war sie nicht darauf gefasst gewesen, den Mann wiederzusehen, der ihr so empfindlich geschadet hatte. Aber sie hätte ahnen müssen, dass er sich in der Nähe des Pavilion aufhalten würde. Er war ein unverbesserlicher Spieler. Angeblich gewann er jede Nacht ein Vermögen am Spieltisch des Prinzregenten. Wo sollte ein solcher Mann den Sommer lieber verbringen?
Und seine Bosheit hielt auch an, nachdem Lady Blythe alle Spielschulden, die Domino in ihrer Unerfahrenheit gemacht hatte, bezahlt hatte. Auf das Geld war er natürlich nicht erpicht gewesen, sondern auf ihren Körper. Nun fühlte er sich um seinen Gewinn betrogen. Aber wie hätte sie ihn jemals attraktiv finden können? Unwillkürlich erschauerte sie, als würde sie auf Zehenspitzen über ein Grab schleichen. Ihr einziger Trost war die Beteuerung ihres Vaters, sie würden nur sehr wenig mit dem Prinzregenten und seinen Freunden zu tun haben.
Auch an diesem Morgen zeigte sich der Prinzregent nicht in der Kirche. Obwohl er vor etwa fünfzwanzig Jahren den Grundstein gelegt hatte, nahm er nicht mehr an den Gottesdiensten in der Chapel Royal teil, seit ein Geistlicher sein unmoralisches Verhalten angeprangert hatte. Aber er ließ sich vertreten. Ein riesengroßer Mann, der ein knarrendes Korsett trug, sank auf die Kirchenbank der königlichen Familie – der Duke of York, Georges Bruder.
Unentwegt murmelte er vor sich hin, kaum hörbar, aber zum Ärger seiner Sitznachbarn. Deren Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen, amüsierte Domino. Für einen Moment vergaß sie ihre unerfreuliche Begegnung mit Lord Moncaster und sah sich in der reich geschmückten Kirche um.
Als sie zur anderen Seite des Mittelgangs spähte, erwiderte Joshua Marchmain ihren Blick und lächelte ihr zu. Hoch aufgerichtet saß er da und strahlte sein übliches Selbstvertrauen aus. Die Frau neben ihm sah ihn besitzergreifend an. In einem Ensemble aus grüner venezianischer Seide, mit einem Kopfschmuck aus Straußenfedern, wirkte sie sehr elegant. Die Federn schwankten leicht im Luftzug und versperrten den Leuten, die hinter ihr saßen, die Sicht zum Altar.
Nur mit halbem Ohr lauschte Domino der Predigt, zu abgelenkt von der Anwesenheit der beiden Männer, denen sie aus dem Weg gehen wollte. Erleichtert atmete sie auf, als die Schlusshymne erklang. Nun konnte sie mit ihrem Vater die Kirche verlassen. Weil der Pfarrer beim Tor stand und jedes einzelne Mitglied seiner Gemeinde verabschiedete, mussten sie erneut in einer Warteschlange ausharren.
„Nicht nur hübsch, auch noch fromm“, erklang eine leise Stimme an ihrer Seite. „Das wird ja immer besser.“
Dankbar, weil ihr Papa gerade mit einem Gentleman sprach, wandte sie sich zu Joshua Marchmain. „Belästigen Sie immer noch Frauen, die Ihre Gesellschaft unangenehm finden, Sir?“, fauchte sie.
„Nein, Miss da Silva, solche Damen niemals.“
Als sie seine
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