Historical Weihnachten Band 6
Benedick ihre Gefühle tatsächlich erwiderte, doch beim zweiten Kuss war sie überzeugt davon. Noel lächelte, als ihr zum ersten Mal das aufregende Gefühl ihrer weiblichen Macht bewusst wurde. Sie war gestern Abend ziemlich wagemutig gewesen, doch offensichtlich hatte sie zu viel zu schnell gewollt.
Und was nun?
Ihr Lächeln erlosch, als ihr klar wurde, dass es leichter wäre, seine Ansichten über sie zu ändern als seine Meinung über sich selbst. Denn er hatte sich sehr schlecht vor ihr dargestellt.
Das war ungerechtfertigt, da war Noel sich sicher. Kein Wunder, dass dieser Mann so anders war als der junge Ritter, dem sie damals begegnet war. Benedick war erschöpft, nicht körperlich, sondern seelisch, und Noel wusste, dass solche Wunden nicht so leicht zu heilen waren.
Trotzdem zweifelte sie keinen Moment daran, dass sie das schaffen könnte, wenn er sie nur ließe. Selbst jetzt noch wäre sie ihm am liebsten gefolgt, hätte ihre Arme um ihn geschlungen und ihm den Trost gespendet, den er so verzweifelt brauchte. Aber das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Er wirkte auf Noel wie ein Mann, der an seine Grenzen gelangt war. Also musste sie ihm etwas Zeit lassen, doch leider hatte sie ausgerechnet davon nicht viel zur Verfügung.
Nur noch acht Tage bis zum Dreikönigsfest, dann war es vorbei mit ihrer Zeit und ihrem Wunsch.
Benedick versuchte, sich auf die vor ihm liegenden Bücher zu konzentrieren, doch dauernd fragte er sich, wo Noel steckte und was sie wohl gerade machte. Da sie ihn in den letzten Tagen weder mit Küssen noch mit Geschenken belästigt hatte, sollte er eigentlich erfreut sein, dass sie sich an seine Befehle hielt.
Aber genau das war er ganz und gar nicht.
In Wahrheit fühlte er sich wie verhext. Ganz benebelt vom Schlafmangel, schien er sich selbst nicht mehr in der Gewalt zu haben. Obwohl er die Tage zählte, bis er sie endlich los war, suchte er doch ihre Gegenwart, die er gierig einsog. Abwechselnd verzauberte oder verärgerte sie ihn, bis er nicht mehr wusste, was er denken oder fühlen sollte.
Und als er jetzt über den Büchern saß, meinte er plötzlich, ihren frischen, sauberen Duft wahrzunehmen. Vielleicht gaukelte ihm sein Verstand, nicht gewöhnt an freie Zeit und quälende Träume, etwas vor.
„Benedick?“
Benedick sah auf, einerseits erleichtert, dass er sich ihren Duft nicht eingebildet hatte, andererseits bestürzte ihn seine umgehende körperliche Reaktion auf ihren bloßen Anblick. Seine Augen wanderten über ihren Pelzmantel, unter dem sie gelbe Seide trug, hinauf zu ihrem lieblichen Gesicht. Sie lächelte, und eine vertraute Wärme stieg in ihm auf.
„Legt doch diese trockenen Bücher beiseite, es ist schließlich Feiertag. Über Nacht hat es geschneit, wir wollen auf dem Teich Schlittschuh laufen.“
„Was?“ Benedick meinte, nicht richtig gehört zu haben, aber das meiste, was sie sagte, ergab für ihn sowieso keinen Sinn.
„Kommt mit uns Schlittschuh laufen.“ Sie hielt ein paar zurechtgeschliffene Knochen hoch, an denen Lederriemen befestigt waren. „Der Teich ist zugefroren, aber der Himmel ist blau, und bei diesem schönen Wetter sollten wir draußen sein. So ist es Tradition“, sagte sie. Ihre unschuldigen Augen glänzten, als hätte sie ein Vergnügen daran, sich über ihn lustig zu machen. Benedick blickte finster und wollte ihren Vorschlag schon ablehnen, als Alard auftauchte. Dick eingemummelt gegen die Kälte, wollte er offenbar mit ihr gehen. Schon wieder kam er ihr viel zu nahe.
Benedick nahm sich vor, dem Burschen mehr Pflichten aufzubürden, zumindest bis Dreikönig.
„Beim Knie des Heiligen Norbert! Ihr werdet Benedick nie dazu bringen, mit uns zu kommen“, unkte der Knappe. „Er versteht nicht, wie man daran Spaß haben kann.“
Spaß! Benedick schnaubte verächtlich. Sein ganzes Leben hatte aus Kampf und Mühsal bestanden, nicht aus Feiertagen und dem ganzen Unsinn, den sie mit sich brachten. Für derlei hatte er keine Zeit, und das wollte er Alard gerade mitteilen, aber als er die beiden zusammen erblickte, ließ er das bleiben. Die fröhliche Freundschaft, die sich zwischen ihnen zu entwickeln schien, passte ihm überhaupt nicht, zumal er seinem Knappen befohlen hatte, sich von seinem Mündel fernzuhalten. Vielleicht sollte er besser mitkommen, und sei es nur, um den frechen Alard im Auge zu behalten.
„Natürlich versteht er das“, erwiderte Noel in einem Tonfall, der Benedick veranlasste, sie scharf zu mustern. Sie
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