Historical Weihnachten Band 6
zu lange fortgeblieben. Er hatte es zugelassen, dass finstere Gerüchte über ihn kursierten, da diese sein Land und seine Untertanen sogar noch besser schützten als seine ausgezeichneten Fertigkeiten im Umgang mit dem Schwert.
Inzwischen war ihm jedoch zu Ohren gekommen, dass sein schlechter Ruf unangenehme Gesellen in seine Burg führte, die Art Männer, die das Töten genossen und denen es gefiel, Angst und Schrecken zu verbreiten. Der Zeitpunkt, dem ein Ende zu bereiten, war gekommen, und was wäre besser geeignet, die Gerüchte verstummen zu lassen, als eine neue Ehefrau? Er hatte gehofft, die einzige Erbin der fruchtbaren Ländereien des MacKail-Clans zur Frau zu nehmen, aber er hatte nicht vor, sich einer Braut aufzuzwingen. Nicht nach dem, was damals mit Margaret passiert war.
Das hieß aber nicht, dass er tatenlos zusehen würde, wie die hochwohlgeborene Helene ihn zurückwies, sich vor ihm versteckte, nachdem er sie mit Hochachtung behandelt hatte.
Nun, vielleicht nicht Hochachtung, aber er hatte sie sicherlich nicht mit gefletschten Zähnen angeknurrt. Vor einigen Tagen hatte er sie zu einem Ausritt eingeladen, und eine ihrer Damen war in Ohnmacht gefallen, als er einen Eber erlegt hatte. Später war er ihr in der Burganlage gefolgt, um unbeobachtet ein Gespräch mit ihr zu beginnen. Erst als sie leichenblass wurde, war ihm klar geworden, dass sie sich in Lebensgefahr glaubte. Er hatte versucht, sie zu beruhigen. Allerdings hatte es seinen besänftigenden Worten ein wenig die Wirkung genommen, als er sich die bissige Bemerkung nicht verkneifen konnte, dass er ihr Leben niemals in Gefahr bringen würde, ohne sich zuvor die Mitgift gesichert zu haben. Aber verflucht noch mal, er hatte das Spiel inzwischen einfach sattgehabt.
Die Blicke voller Schrecken, mit denen sie ihn bedachte, passten ihm gar nicht. Und mit der heutigen Flucht unter der fadenscheinigen Ausrede, ihr Essbesteck holen zu wollen, hatte sie einfach den Bogen überspannt. Solange er die Feiertage auf Burg Domhnaill zubrachte, die von Besuchern aus allen Teilen der Highlands überquoll, würde er die Gelegenheit nutzen, sich nach einer anderen Braut umzusehen, die seine leeren Kassen füllte und sein Bett wärmte.
Doch erst wollte er Helene vor Augen führen, was sie verpasste, indem sie vor ihm davonlief. Ja, er würde sich selber mit dieser kleinen Ablenkung eine Freude bereiten. Immerhin waren es die Feiertage. Und eine derart schöne Frau dazu zu bringen, sich ihm hinzugeben, wäre das schönste Geschenk für ihn.
Dafür musste es ihm nur gelingen, sie unbeobachtet zu treffen. Vorzugsweise in der Nacht, damit er im Schutz der Dunkelheit zu ihr flüstern konnte. So würde sie nicht wissen, dass sie mit dem gefürchtetsten aller Highlander sprach, der, ohne es zu wollen, den Tod seiner ersten Ehefrau verschuldet hatte. Helene würde glauben, dass sie lediglich mit einem weiteren Verehrer sprach. Und das sollte ihr nur recht sein, wenn man bedachte, welche Abneigung sie ihm selbst offenbar entgegenbrachte.
Nein, sie würde ihm nicht noch einmal davonlaufen. Im Gegenteil, heute Nacht würde er dafür sorgen, dass sie zu ihm kam. Und wenn sie dann in seinen Armen lag, allein und unbewacht, würde er seinen verletzten Stolz besänftigen, indem er ihre weichen Lippen kostete – indem er ihre Leidenschaft weckte.
Erst dann, wenn sie unter ihm lag und sehnsuchtsvoll seinen Namen seufzte, wäre die Kränkung, die sie ihm heute zugefügt hatte, getilgt. Eine angemessene Vergeltung. Immerhin stand er in dem Ruf, seine Ehefrauen in den Tod zu treiben; einige schöne Stunden mit Lady Helene waren da ja wohl kein zu hoher Preis für die stolze Edelfrau.
2. KAPITEL
S ie würde noch verhungern, nur wegen ihres dummen Stolzes.
Helene ging in ihrer Kammer auf und ab, während die übrigen Gäste der Burg tanzten und spielten und die Raunächte feierten. Jedes Mal, wenn sie es wagte, den schweren Vorhang vor dem einzigen Fenster des Raums zur Seite zu schieben, konnte sie die zarten Harfentöne hören, die vom eisigen Winterwind zu ihr heraufgeweht wurden. Außerdem stieg ihr der herrliche Duft von gebratenem Geflügel und geröstetem Wildschwein in die Nase und ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ihr Magen grummelte, als sei er zornig darüber, dass sie wie ein Feigling davongelaufen war, nur um nicht an Léods Seite zur großen Halle gehen zu müssen.
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren finsteren Gedanken.
„Ja?“ Sie ließ
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