Historical Weihnachten Band 6
Konversation mit Sir Myles ganz allein überließ.
„Dann werdet Ihr in meinem Schloss diese Aufgabe auch ganz vorzüglich meistern“, fuhr er fort. „Es ist zwar ein bisschen größer, und wir haben auch mehr Bedienstete, aber Ihr werdet wahre Wunder vollbringen, wenn Ihr Euch nicht von ausschweifenden Vergnügungen ablenken lasst.“
Wie zum Beispiel meinen Onkel zu besuchen, Lady Katherine oder meine Freundinnen, dachte sie bitter, und plötzlich hatte seine angenehme tiefe Stimme und sein gutes Aussehen keinerlei Wirkung mehr auf sie. Er war ein Angeber, arrogant, selbstzufrieden und prahlerisch.
„Darf ich Euch in diesem Sinne darauf aufmerksam machen, Mylady“, fuhr er fort, „dass einer Eurer Musiker Gefahr läuft, die Balustrade hinabzustürzen, wenn man ihm nicht den Wein wegnimmt?“
„Das habe ich bereits bemerkt“, entgegnete Giselle kühl. „Gerade wollte ich …“
„Gestattet es mir“, schnitt er ihr das Wort ab, stand auf und machte sich quer durch die Halle auf den Weg zur Treppe, die zur Galerie hinaufführte. Dabei schien er es allerdings nicht sehr eilig zu haben, nickte dem einen und anderen zu und blieb stehen, um ein paar Worte mit Lady Alice und Lady Elizabeth zu wechseln.
Bis er oben ankommt, ist der Trunkenbold wahrscheinlich eingeschlafen, dachte Giselle grimmig. Das Beste wird sein, ich sehe selbst nach dem Rechten.
Ihr Onkel jedoch hinderte sie am Aufstehen, indem er sich zu ihr hinüberbeugte und nach ihrer Hand griff. Seine Stimme klang wie das Schnurren einer riesengroßen dicken Katze, wie immer, wenn genügend guter, süßer Rebensaft durch seine Kehle geflossen war. „Na, wie gefällt er dir, mein Kind? Ist er nicht ein wirklich gut aussehender Kerl?“
Und ist er nicht wahrhaftig stolz darauf? dachte sie.
„Ich hatte noch nicht das Herz, ihm von unserer Abmachung zu erzählen. Er ist so glücklich über eure Verlobung, vor allem, nachdem er dich draußen im Hof getroffen hat.“
„Ach?“ Giselle vermutete, dass es eher die weitläufigen Ländereien und die imposante Burganlage ihres Onkels waren, die Sir Myles’ Begeisterung entfacht hatten. „Was hat er denn gesagt?“
„Na, na, na, du sollst nicht nach Komplimenten fischen, mein Kind. Aber ich kann dir sagen, dass er überaus angetan ist von dir.“
Oben auf der Galerie gab es ein leises Gerangel, das zwar allgemein nicht für Aufsehen sorgte, Giselle zum Glück aber davon abhielt, ihrem Onkel etwas zu erwidern. Sir Myles war inzwischen doch oben angelangt und hatte es fertiggebracht, den betrunkenen Fiedler mit sanftem Nachdruck fortzubringen. Diplomatischer hätte sie selbst die Angelegenheit auch nicht regeln können, zumal die restlichen Musiker unbeschwert, ja geradezu überschwänglich wieder zu spielen anfingen.
Die Tafeldiener schoben die langen Tische an den Rand, und im Handumdrehen wurde aus dem großen Speisesaal eine weitläufige Tanzfläche.
„Ich danke Euch für Eure Hilfe“, sagte Giselle, als Sir Myles zu ihr zurückkehrte. „Womit habt Ihr die Musikanten denn so auf Trab gebracht?“
„Ein Kinderspiel“, erklärte Buxton selbstzufrieden. „Ich sagte ihnen lediglich, wenn sie jetzt ihr Bestes gäben, könnten sie auch auf meiner Hochzeit spielen.“
Herrgott, war der arrogant! Giselle, die sich eben noch vorgenommen hatte, ein bisschen verbindlicher zu sein, entschied augenblicklich, dass es Zeit für einen Dämpfer war. Sir George de Gramercie, der Tischnachbar ihres Onkels, kam ihr da gerade recht. Er war ein junger Edelmann aus gutem, wohlhabendem Hause, und obwohl er mit seinen blonden Locken ein wenig knabenhaft aussah und nicht mit der herben Männlichkeit Buxtons konkurrieren konnte, war er doch kein unattraktiver Mann. Giselle erwiderte seinen Gruß nur allzu gern mit einem provokanten, koketten kleinen Lächeln, und zu ihrer größten Genugtuung sprang Sir Myles sofort darauf an.
„Ihr scheint eine gewisse Vorliebe für diesen jungen Mann zu hegen.“
„Oh ja, denn er ist ein alter Freund der Familie.“
„Na, so alt sieht er gar nicht aus.“ Das reichte ihr schon. Sie hatte ihm einen kleinen Seitenhieb versetzt, aber Lust auf eine längere Unterhaltung darüber hatte sie nicht.
„Entschuldigt mich bitte, ich habe noch Verpflichtungen.“
„Schade, ich habe gehofft, Ihr würdet noch mit mir tanzen, Mylady.“
„Ein andermal vielleicht. Jetzt muss ich mich um die Speisung der Armen kümmern.“
Sir Myles setzte sich wieder an seinen Platz, goss seinen
Weitere Kostenlose Bücher