Historical Weihnachtsband 1990
in seinem Innersten zurück.
Daniel wäre erstaunt gewesen zu erfahren, daß auch Melinda sich in Gedanken häufig mit ihm beschäftigte, und zwar auf
eine Art, die sie selbst überraschte. Nachdem sie von Lula Moore die traurige Geschichte über seine Familie erfahren hatte, war sie ihm gegenüber nachgiebiger gesinnt.
Eines Samstag morgens sah sie durch das Küchenfenster zu, wie Jimmy ihrem Sohn Reitunterricht gab. Da bemerkte sie aus dem Augenwinkel, daß Daniel MacKenzie auf die Veranda trat. Er schien den Hof überqueren zu wollen, blieb aber stehen, sobald er Lee und Jimmy entdeckte. Einen Augenblick verharrte er reglos und beobachtete den Jungen. In seinem Gesicht las Melinda einen so tiefen Schmerz und so große Sehnsucht, daß sie sich zutiefst berührt fühlte.
Dann wandte sich Daniel abrupt ab und ging mit langen Schritten durch die Vordertür. Für den Rest des Tages war er in übelster Laune, doch Melinda hütete ihre Zunge.
Das war natürlich nicht oft der Fall. Wenn er sie anfuhr, vergalt sie es ihm gewöhnlich auf gleiche Weise. Schüchtern war sie noch nie gewesen, aber manchmal überraschte sie sich selbst mit ihren spitzen Erwiderungen.
Gelegentlich war sie davon überzeugt, daß er sie nun entlassen würde. Aber er tat es nicht. Daraufhin fragte sie sich, ob er ihre Wortwechsel vielleicht sogar insgeheim genoß. Melinda selbst empfand während ihrer Streits oft eine gewisse prickelnde Aufregung. Die Auseinandersetzungen konnten eigenartig belebend sein. Während sie ihm gegenüberstand, wenn seine blauen Augen funkelten und sein Körper vor Zorn angespannt war, gab es sogar Momente, in denen sich tief in ihr etwas rührte, das . . . eindeutig begehrlich war.
Selbstverständlich hätte Melinda das niemandem eingestanden, ebensowenig wie sie zugegeben hätte, daß sie Daniel MacKenzie gutaussehend fand oder ihn gern ansah. In Anbetracht seiner Gefühle ihr gegenüber und ihrer häufigen Wortgefechte hätte sie ihn in keiner Weise mögen dürfen.
Dennoch ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie ihm beim Essen verstohlene Blicke zuwarf. Mehr als einmal trat sie auch ans Küchenfenster, um ihn über den Hof gehen zu sehen, nachdem sie die Haustür klappen gehört hatte. Sie genoß es, wie er mit seinen langen Beinen, die fest in engen, schweren Arbeitsjeans steckten, dahinschritt. Ihr gefiel die Haltung seiner Schultern und seines Kopfs. Sie mochte es sogar, wie er den Hut schief über die Stirn ins Gesicht zog.
Wunderschöne Hände hatte er, groß und kräftig, mit langen, schlanken Fingern. Sie waren gebräunt und mit Schwielen übersät, die Nägel kurz und stumpf.
Männliche Hände waren es. Oft betrachtete Melinda sie. Besonders gern sah sie es, wenn Daniel MacKenzie darin eine der blauen Emailletassen hielt. Dann dachte sie an seine rauhen Handflächen und Fingerspitzen und stellte sich vor, wie sie sich auf ihrer Haut anfühlen würden. War er zärtlich, wenn er die Brust einer Frau berührte?
Melinda schimpfte mit sich, weil sie solche Gedanken zuließ. Es war unanständig.
Obendrein war es unmöglich. Daniel MacKenzie würde niemals davon träumen, sie zu berühren oder zu küssen. Er konnte sie nicht ausstehen. Und selbst wenn er es wollte, würde sie es nicht zulassen.
Trotzdem lag sie abends manchmal in ihrem Bett und schaute aus dem Fenster zum großen Haus hinüber, das im Mondlicht silbrig schimmerte, und dachte über Daniel nach.
Dann schmerzte ihr Busen ein klein wenig, ihre Brustspitzen kribbelten, und Wärme durchflutete ihren Körper. Die Lippen fühlten sich weich und zart an, und manchmal rieb sie mit dem Finger darüber und fragte sich, wie sich seine Lippen wohl anfühlen mochten. Würde sein Bart kratzen?
Einmal strich sie langsam mit den Fingerspitzen über ihren Körper, über das Nachthemd, berührte ihre empfindsamen Brüste und ließ die Hände über den flachen Bauch zu den Beinen wandern. Melinda schloß die Lider, während sich ihr Körper nach der Berührung sehnte, die ihn entzünden würde.
Zwei Jahre war es her, seit Robert gestorben war. Seit zwei Jahren hatten keine Männerhände mehr ihren Körper berührt. Doch bisher hatte sie es nicht vermißt.
Bevor sie in Daniel MacKenzies Haus gekommen war, hatte sie nicht einmal daran gedacht. Weshalb hatte er nur diese Wirkung auf sie?
Entwickelte sie sich etwa zu einer unanständigen Frau? Konnte man von so etwas unerwartet überfallen werden?
Konnte sie sich über Nacht von einer Dame in eine
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