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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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sollen?"
    „Hätte ihr Mann nicht hier mit ihr leben können?" fragte Gates.
    „Würde ein Mann so etwas tun?" Mary schaute ihn an. „Ich glaube, die meisten Männer lieben ihre Unabhängigkeit. Einer
    hatte ihr geschworen, daß er sie mit sich nehmen würde, doch als er den Widerstand ihres Vaters zu spüren bekam, hat auch er seine Meinung schnell geändert. Trotzdem hat Tante Alice ihm verziehen und die Erinnerung an ihn wie einen Schatz aufbewahrt, wie sie alle Dinge hütete, die sie liebte — ihren Rosengarten, ihr Klavier, alles in diesem Haus. Tante Alice hat sich nie einsam gefühlt. Sie ist es auch nicht wirklich gewesen, da immer jemand in ihrer Nähe war."
    „Wie zum Beispiel Cousin Amos."
    „Wie er zum Beispiel", bestätigte Mary.
    „Menschen, die einen ausnutzen, sind nicht dasselbe wie Menschen, die einen lieben", gab Gates zu bedenken.
    „Und glauben Sie, daß man nicht gleichzeitig jemanden ausnutzen und lieben kann?"
    fragte Mary.
    Sie sah ihn offen an, aber Gates hielt diesen Blick nicht stand. „Das hätte ich vermutet", meinte er, „doch andererseits habe ich es mir nicht wirklich überlegt.
    Wahrscheinlich habe ich dabei an die Herzlosigkeit des Vaters Ihrer Tante Alice gedacht."
    „Ja, ist er denn wirklich herzlos gewesen, oder hat er nur an seine kleinen Jungen gedacht, die eine Mutter brauchten?" Mary wartete einen Moment, um Gates Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben. Als er jedoch schwieg, machte sie kehrt und ging aus der Küche und über den Flur. Gates blieb noch einen Moment und dachte über ihre Worte nach, bevor er ihr folgte.
    Auf der anderen Seite des Gangs hatte sich ein Wohnzimmer befunden und vielleicht ein Schlafzimmer. Wenig war allerdings zurückgeblieben, womit man das eine vom anderen hätte unterscheiden können. Die paar noch vorhandenen Möbelstücke standen verloren zwischen Staub und Schutt und den hellen Stellen, an denen an der Wand Bilder gehangen und auf dem Fußboden Teppiche gelegen hatten. Mary ging von einem Zimmer ins andere und ließ den Blick umherschweifen, als suchte sie irgend etwas, das übersehen worden war. Schließlich gab sie die Suche kopfschüttelnd auf.
    „Fast alles hat er mitgenommen", sagte Mary und machte eine Handbewegung, die Hoffnungslosigkeit ausdrückte. „Den kleinen Nähtisch, die Familienbilder, den Schemel, der gleich neben
    dem Ofen gestanden hat..." Sie verstummte und preßte die Lippen zusammen. In dem feuchten Schimmer, der sich auf ihren Wimpern zeigte, erkannte Jack Gates all die Pein und Bitterkeit wieder, die ihn an seine Vergangenheit erinnerten. Im ersten Augenblick wollte er sich aus Gewohnheit abwenden, wie er das immer getan hatte, wenn die Vergangenheit ihm zu nah zu rücken schien. Aber dann wurde der Drang von dem heftigen Verlangen verdrängt, Mary in die Arme zu nehmen und mit zärtlichem Streicheln die Tränen zu vertreiben, mit denen sie kämpfte. Er machte einen Schritt auf sie zu, doch im selben Moment holte sie tief Luft und straffte die Schultern.
    „Es ist natürlich nicht so schlimm", sagte sie in einem Tonfall, der Gates zurückhielt.
    „Was wirklich von Wert war, hatten wir schon lange geholt. Das Haus selbst konnte er nicht stehlen, und das ist das Wichtigste überhaupt."
    Jack Gates bemerkte in Erinnerung an die Unterhaltung beim Frühstück: „Falls Ihr Großvater sich jetzt nicht überreden läßt, es zu verkaufen."
    „Falls ..." wiederholte sie und ließ ihre Hand über die Schnitzereien in der hölzernen Wandtäfelung mit einer Vertrautheit und Liebe gleiten, die Gates irgendwie anrührte. „Wie Sie gehört haben, ist Gray der Meinung, daß das Haus verkauft werden sollte. Nach Tante Alices Tod hat er unerbittlich darauf beharrt. Damals hat sich Grandfather widersetzt. Möglicherweise ändert er jedoch nun seine Meinung, nachdem niemand mehr aus der Familie da ist, der darin leben will." Sie ließ die Finger einen Augenblick verweilen und dann sinken.
    Gates folgte dieser Bewegung mit den Augen und unterdrückte den Wunsch, die Hand in seine zu nehmen. „Aber das ist nicht das, was Sie wollen."
    „Nein, aber vielleicht ist es das beste. Das Haus wirkt so verlassen, wenn sich niemand darum kümmert. Es wäre besser, wenn eine Familie hier leben würde, eine Familie mit Kindern, die es zu schätzen wüßten. An dem Ahornbaum vor dem Haus hing früher eine lange Schaukel, und dahinter findet man die meisten Beeren im ganzen Tal. Es wäre schön, wenn hier wieder Kinder leben

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