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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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würden."
    „Nein!" Jacks Stimme hallte in den leeren Räumen wider. „Nein, Sie dürfen es nicht verkommen lassen! Es ist Teil Ihrer Geschichte. Sie müssen es bewahren."
    Sein scharfer Ton ließ Mary erschrocken aufschauen. In ihrem Blick stand ein Erstaunen, das Gates verlegen machte. Was kam ihm nur in den Sinn, hier wie ein Kind aufzuschreien? Dies war nicht seine Farm, die schon vor langer Zeit dahingegangen war, und die auch kein noch so großes Wehklagen zurückbringen konnte.
    Er zwang sich zu einem Lächeln. „Verzeihen Sie mir. Alte Geister haben sich gerührt.
    Welches Recht habe ich, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen?" Er versuchte, ihr in die Augen zu sehen, konnte es jedoch nicht. So drehte er sich zum Fenster.
    Hinter sich hörte er Mary sprechen. Ihre Stimme wirkte besänftigend auf ihn, wie auch die schneebedeckten Felder. „Sie reden von Ihrem eigenen Leben."
    Schon wollte er es hartnäckig leugnen, doch dann nickte er. „Ja", gab er zu. Die Felder waren bis auf ein paar skelettartige Bäume leer. Dieser Anblick wirkte so vertraut, daß Gates für einen Augenblick das Gefühl hatte, in die Vergangenheit versetzt zu werden. Doch dann wurde er sich Marys bewußt, die ihn beobachtete, und irgendwie veranlaßte ihre Anwesenheit ihn dazu, aus seinem Leben zu erzählen.
    „Ich bin in einem Haus wie diesem aufgewachsen, im Westen von Wisconsin. Mein Großvater baute es mit Hilfe meines Vaters, als die Blockhütte zu klein geworden war, ihr erstes Heim. Es war ein gutes Haus. Ebenso wie hier gab es viele Beeren in der Nähe. Außerdem hatten wir ein Wasserloch zum Schwimmen und einen Heuschober, der hoch war wie eine Kathedrale. Auf dem Heuboden war mein Lieblingsplatz. Dort bin ich hinaufgeklettert, wenn mich etwas bedrückt hat. Dann habe ich mich ins duftende Heu gelegt, und nach einer Weile habe ich alles in einem völlig neuen Licht gesehen." Gates schüttelte den Kopf. „In Bosten sehne ich mich manchmal nach diesem Heuboden zurück. Würde Gray mich nicht auslachen, wenn er davon wüßte?" Freudlos lächelte er.
    Mary sah ihn an. „Was ist aus der Farm geworden?" fragte sie, obwohl sie es sich bereits denken konnte.
    „Ich habe sie verloren", antwortete Jack Gates. „Meinem Vater hatte ich geschworen, daß ich sie erhalten würde, aber schließlich habe ich sie doch verloren.
    Natürlich ist es nicht meine Schuld gewesen", fügte er hinzu. „Es waren schon so viele Hypotheken darauf, und als dann die Nachricht kam, daß mein Bruder in Chancelorsville gefallen war..." Er brach ab. Im Geist hielt er noch einmal das Telegramm in der Hand, das das Ende aller Hoffnungen bedeutet hatte. „Wir hatten keine Bauern, die den Sheriff aufgehalten hätten, ebensowenig wie ein geheimes Versteck", meinte er, und in der Fensterscheibe spiegelte sich sein ironisches Lächeln. „Die Bank hat das Haus übernommen und uns vor die Tür gesetzt. Das hat meine Mutter umgebracht — das und alles andere."
    „Wie entsetzlich!" rief Mary aus. „Wie schrecklich muß das für Sie gewesen sein."
    „Ja, das ist es wohl gewesen", gestand er ein. Gleichzeitig sehnte er sich nach Marys Trost und schreckte davor zurück. Unwillkürlich straffte er die Schultern. „Aber es hat mich auch vorangetrieben. So habe ich Dinge gewagt, die ich sonst nie versucht hätte. Seit jenem Tag habe ich es weit gebracht, und ich beabsichtige, immer noch weiterzukommen."
    „Das werden Sie, davon bin ich überzeugt", sagte Mary voller Verständnis. „Aber was ist mit Wisconsin? Fahren Sie manchmal dorthin zurück?"
    „Nein", erwiderte Gates und schüttelte den Kopf. „Dazu habe ich keine Zeit, bei der vielen Arbeit." Aber noch während er das aussprach, wußte er, daß es nur eine Entschuldigung war. Die Wahrheit war, daß er sich fürchtete, alte Wunden aufzureißen und Menschen zu begegnen und Orte zu besuchen, die ihm alles wieder ins Gedächtnis rufen würden.
    Jacks breiter Rücken verschwamm vor Marys Augen, als die sich mit Tränen füllten.
    Voll Mitgefühl dachte sie an den Jungen, der er gewesen sein mußte, und an den Mann. „Es ist nie zu spät, wissen Sie", murmelte sie und blinzelte. „Sie könnten immer noch zurückkehren."

    Ihr Tonfall war genauso sanft, wie er sich vorstellte, daß sie ihm das Haar aus der Stirn streichen würde. So zart mußte sie auch über die Bettdecke ihres Großvaters fahren. Erneut stieg die Sehnsucht nach Marys Trost in ihm auf. Aber er durfte sich nicht von ihr von seinem Weg abbringen

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