Historical Weihnachtsband 1990
Kleinen?" erkundigte sich der Pferdeknecht.
„Der Arzt sagt, gut", versicherte Jack ihm. „Gibt es hier ein Pferd, auf dem ich ausreiten kann?"
„Ich spanne Ihnen den Buggy an, wenn Sie möchten", antwortete Tom mit einer Bereitwilligkeit, die auf die Erfahrungen des Tages zurückging. Er hatte diesen Gates für einen genauso oberflächlichen Burschen wie Gray gehalten, der nur sich selbst und die Frauen im Kopf hatte und sonst zu wenig zu gebrauchen war. Doch Gates hatte mehr als genug für den jungen Master Robin getan, womit er sich Toms Bewunderung und Respekt verdient hatte.
Jack reagierte auf das Angebot mit einem Kopfschütteln. „Vielen Dank, aber ein Pferd genügt. Wenn Sie mir das richtige zeigen, sattle ich es selbst."
Die Wolken, die seit dem Mittag aufgekommen waren, begannen sich nun, zum Tagesende, wieder zu verziehen. Trotzdem lag dieser eigenartige feuchte Geruch in der Luft, der oft Schnee ankündigt. Jack trieb die braune Stute zu einem kurzen Galopp auf dem festgefahrenen Schnee an. Er war froh über den rauhen Nachmittag, der die Menschen zu Hause blieben ließ. Er hatte nicht die Absicht, sich von Passanten anhalten zu lassen. Was er wollte, war frische Luft und einige Zeit des Alleinseins.
Hatte er ein Ziel?
Bewußt hatte Jack sich keines gesetzt, doch er bog in Straßen ein, an die er sich zwar erinnerte, die ihm jedoch noch nicht vertraut waren, bis er schließlich das Old House auf der linken Straßenseite entdeckte. Er zügelte das Pferd zum Schritt und lenkte es in die Einfahrt.
Seit er das letzte Mal dagewesen war, hatte es nicht mehr geschneit. Der alte Schnee war verkrustet und hart auf der Oberfläche. Die Stute brach darin ein, als sie in den Garten kamen, und das Geräusch hallte laut durch die kalte Luft. Niemand war seit jenem Vormittag dagewesen. So waren die Fußabdrücke, die Jack und Mary hinterlassen hatten, nicht verwischt worden. Jack glaubte, die Stelle wiederzuerkennen, an der er zum erstenmal versucht gewesen war, Mary in die Arme zu nehmen.
Zu Anfang hob das Pferd den Kopf und wartete auf einen Befehl seines Reiters, doch nachdem er sich nicht rührte, ließ es den Kopf sinken, um im Schnee nach Futter zu suchen. Hin und wieder stampfte es mit den Beinen, da ihm die Kälte durch die Hufe kroch.
Die Sonne fand eine Lücke in den Wolken und tauchte den Schnee in goldenes Licht, das sich langsam in rotes verwandelte, und bestrahlte das Haus mit ihrem Glanz. Die schmalen Fenster wurden zu kupferfarbenen Rechtecken, und die Eiszapfen an den Dachsparren glühten wie rubinfarbene Speere. Das Abendrot breitete seine Pracht über die ganze Landschaft.
Jack beobachtete, wie es sich ausdehnte und fühlte, wie ihm das Herz weit wurde.
Längst vergessene Empfindungen stiegen in ihm auf. Eine Ahnung des Paradieses überkam ihn, das Gefühl, gesegnet zu sein. Er stellte sich vor, bei Sonnenuntergang über die schneebedeckten Felder, durch dieses strahlende Wunderland, nach Hause zu kommen, naß und kalt und voll Überschwang.
Jack holte tief Luft, als er sich an den Duft von Holzrauch erinnerte, der ihn nach Hause locken würde, wo das Abendessen auf ihn wartete und alles sicher und warm war. Boston und sein wirkliches Leben schienen so weit fort zu sein. Wisconsin und die Dinge von vor langer Zeit waren auf einmal viel klarer.
„Was wollen Sie?" hatte Mary ihn gefragt. Und er hatte geantwortet: „Reichtum, Macht und Erfolg."
Nun klangen diese Worte im Geist nach, ohne daß sie die vertraute Hochstimmung in ihm hervorriefen. Vor dieser Pracht der Natur wirkten die Worte hohl, voll Glitzern und Versprechen, doch wie jene Weihnachtsgeschenke, die, wenn sie erst ausgepackt waren, nur noch banale Gegenstände waren. Wenn er sein Leben damit verbrachte, würde er es nur vergeuden.
Die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Obwohl der Himmel immer noch rot glühte, stand das Haus nun leer und verloren da, und die Fenster waren dunkel. Jack fiel ein, wie Mary gesagt hatte, daß Kinder hier leben sollten, um es mit Leben und Lachen zu erfüllen. Sekundenlang schien es ihm, als würde die Dunkelheit verschwinden und die Fenster wieder leuchten. Vor seinem inneren Auge sah er, wie die Haustür geöffnet wurde und Mary auf der Veranda erschien. Sie lächelte und breitete die Arme aus, und er rannte auf sie zu. Den Atem stieß er in großen, weißen Wolken aus, der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Dann verschwand das Bild, und das Haus war wieder dunkel.
Jack zitterte
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