Historical Weihnachtsband 1990
vorsichtig ein Stückchen hoch und schob die zusammengeknüllte Schürze unter Robins Kopf.
Während sie mit der freien Hand seinen Kopf festhielt, preßte sie mit der anderen die Schürze auf die Wunde. Es bestand zwar immer noch die Gefahr, daß er durch einen Kälteschock ums Leben kam, aber es war sicher nützlich, die Blutung zu stillen.
„O Robin", murmelte sie und sah in das aschfahle Gesicht. „Bitte verlaß mich nicht.
Hilfe ist unterwegs."
Aber wo bleibt sie? fragte Mary sich und schaute zum Haus. Endlich, da kam Betty durch den Schnee geeilt. Atemlos und fast so blaß wie der Junge auf dem Boden kam sie bei Mary an.
„Ach herrje, Miss Hillyer! Stimmt es, daß Robin tot ist? Ich habe ihnen gesagt, sie sollen aufpassen, aber ich konnte nicht. . ."
„Haben Sie keine Decken gebracht?" unterbrach Mary sie hoffnungslos. „Haben Sie überhaupt nichts mitgebracht?"
„An Decken habe ich nicht gedacht. Als Amy gesagt hat, was passiert ist, habe ich . . ."
Mary schnitt ihr das Wort ab. „Schon gut. Gehen Sie jetzt und holen Sie, soviel Sie können! Amy, lauf zum Stall und schau, ob Tom in der Nähe ist! Falls nicht. . ." Sie brach ab, als jemand ihr die Hand auf die Schulter legte.
„Decken und was noch?"
Jack Gates!
Mary seufzte erleichtert, denn im Gegensatz zu Betty wirkte er beruhigend.
„Decken und irgendeine Art Verband und etwas, worauf man ihn tragen kann.
Jemand sollte außerdem den Arzt rufen."
„Schicken Sie das Mädchen", schlug Jack vor und war verschwunden.
„Dr. Millburn?" fragte Betty und rang die Hände. Dabei starrte sie Robin immer noch entsetzt an.
„Ja, das heißt, nein, er ist über die Feiertage verreist. Sie werden Dr. Brawley holen müssen, drüben aus der Prospect Street. Falls er bei einem Patienten ist, müssen Sie ihn suchen", erklärte Mary bestimmt.
„Ja, Miss Hillyer." Betty machte einen Schritt und drehte sich wieder um. „Aber was ist mit den Kleinen? Natürlich schlafen sie, aber Miss Sophia hat gesagt. . ."
„Kümmern Sie sich nicht um die Babys, gehen Sie endlich! Und Betty, rennen Sie!
Weine nicht, Amy", fuhr sie fort, weil das Kind bewegungslos neben ihr stand und still vor sich hinschluchzte. „Du wirst sehen, Weihnachten wird Robin mit dir zusammen Süßigkeiten essen", sagte sie mit weit mehr Überzeugung, als sie empfand. Wenn Robin nur nicht so totenblaß wäre.
Betty war kaum verschwunden, als Jack zurückkam. Hinter sich zog er den alten Schlitten her, den sie als Kinder benutzt hatten.
Seit Jahren hatte er vergessen im Keller gestanden, bis Gray ihn vor wenigen Tagen hervorgeholt hatte. Er, Eveline und Jack waren damit gefahren, und Mary hatte ihnen nachgeblickt und sich vorgestellt, wie es wäre, sich an Jack zu lehnen und seine Arme warm und fest um sich zu spüren. Erleichtert sah sie den Haufen Decken und Bettücher auf dem Schlitten und erkannte, daß Jack ihn als Bahre benutzen wollte.
Obendrein hatte er Tom mitgebracht, der Robins regloser Gestalt nur einen kurzen Blick zuwarf, bevor er damit begann, die Decken auf dem Schlitten aufzuschlagen, so daß man den Jungen hineinwickeln konnte, sobald er darauf lag. Jack war bereits damit beschäftigt, eine Kissenhülle zu zerreißen, um die Wunde zu verbinden.
„Ich habe nicht gewußt, wo Sie Ihr Verbandsmaterial aufbewahren, so habe ich statt dessen dies hier genommen. Können Sie die Verletzung einschätzen?" fragte er.
„Nicht wirklich", gestand sie und hob Robins Kopf erneut, damit Jack den Verband darumwickeln konnte. „So wie der linke Arm aussieht, glaube ich, daß er gebrochen ist. Aber was das andere angeht, kann ich nichts sagen. Trotzdem glaube ich, daß wir ihm mehr Schaden zufügen, wenn wir ihn hier in der Kälte liegenlassen, als wenn wir ihn bewegen."
Jack nickte und verknotete die Enden der behelfsmäßigen Binde. Dann schoben er und Tom den Schlitten dicht neben den Jungen, hoben ihn sanft darauf und deckten ihn sorgfältig zu. Die letzte Decke wickelten sie um den Schlitten, um Robin darauf festzuhalten. Als sie ihn aufhoben, stieß er durch den offenen Mund einen langen Seufzer aus.
„Das ist ein gutes Zeichen", bemerkte Mary, doch die Falten auf ihrer Stirn straften den überzeugten Klang ihrer Stimme Lügen. „Bringen Sie ihn in den Salon!" rief sie, während sie voranging, um das Feuer zu schüren und einen Platz für ihn frei zu machen. Amy schlenderte immer noch schluchzend hinterher.
Sie legten den Jungen vor den Kamin. Sobald er lag, schickte
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