Historical Weihnachtsband 1990
Das schien der Anstand zu erfordern."
Mary versuchte sich eine solche Begegnung vorzustellen. „Und was hat er geantwortet?"
„Gern geschehen oder so etwas Ähnliches", erwiderte Jack. „Schade, daß wir uns nicht früher kennengelernt haben. Er ist ein prächtiger alter Herr."
„Grandfather?" Mary bemerkte, wie er über ihre Ungläubigkeit schmunzelte.
„Und ein harter Geschäftsmann obendrein. Ich wünsche mir, daß ich noch so sehr im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bin, wenn ich sein Alter erreicht habe."
„Sie haben mit ihm über Geschäfte gesprochen?" fragte Mary erstaunt und registrierte, daß Jack noch verlegener wurde.
„Auf höchst allgemeiner Art. Nun", meinte er und richtete sich auf, „Sie haben sicher noch eine Menge zu tun. Morgen ist der große Tag. Ich überlasse Sie Ihrer Arbeit.
Auf Wiedersehen."
„Auf Wiedersehen", murmelte Mary und blickte ihm verwirrt nach. Dann betrat sie das Zimmer des Großvaters.
Er saß aufrecht im Bett und starrte vor sich. Auf seinen Zügen lag ein ähnlicher Ausdruck, wie sie ihn bei Jack kurz zuvor gesehen hatte. Als Mary ihren Großvater beim Namen nannte, blickte er auf.
„Ach, du bist es. Ich dachte schon, du hättest mich zugunsten deiner anderen Patienten im Stich gelassen."
„Natürlich nicht, Grandfather. Eben bin ich bei Robin gewesen. Es geht ihm schon viel besser", berichtete sie.
„Besser, wirklich? Na, er hat Glück, daß er noch lebt. Und was seine törichte Mutter angeht..."
„Sophias Schuld ist das nicht gewesen. Jungs sind nun einmal so, weißt du", verteidigte Mary ihre Lieben.
„Tatsächlich?" erwiderte er ironisch. „Und was weißt du über Jungs? Du hast nicht zufällig irgendwo heimlich einen versteckt?"
„Was für ein Gedanke!" Weil sie an Jack denken mußte, begannen Marys Wangen zu glühen. Das fand ihr Großvater amüsant, und er schmunzelte so unverschämt, daß Mary am liebsten aus dem Zimmer gestürmt wäre. Als sie seine nächsten Worte hörte, wünschte sie, sie hätte es getan.
„Ich habe über das Old House nachgedacht", sagte er.
"Ja?"
Lautlos trommelte er auf die Bettdecke. Mit scharfem Blick folgte er Marys Bewegungen, als sie die Vorhänge zuzog und die Lampen anzündete. „Ich habe mir überlegt, daß ich es eigentlich verkaufen könnte. Was hältst du davon?"
Mary konnte ihre Bestürzung nicht verbergen. „Aber ich dachte, du willst es behalten? Das hast du wenigstens gesagt, als Tante Alice gestorben ist."
„Das ist richtig", bestätigte er. „Aber jetzt habe ich meine Meinung geändert. Was hat es für einen Sinn, wenn es unbewohnt bleibt, bis es zusammenstürzt? Dann wäre es nur noch das Grundstück wert, auf dem es steht. Jetzt kann ich auch noch etwas für das Haus verlangen."
„Aber du brauchst das Geld doch nicht", warf Mary ein.
„Kein Geld brauchen, ha! Du redest wie dein Bruder. Wer sonst sollte für deinen Unterhalt aufkommen, wenn ich kein Bargeld mehr hätte?"
„Das habe ich nicht gemeint", murmelte sie und spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen.
„Ich weiß recht gut, was du gemeint hast", entgegnete er. „Das weiß ich recht gut.
Na, jedenfalls habe ich das beschlossen, und ich kann ja wohl tun, was mir beliebt.
Nun hör auf, dort in der Ecke herumzuzappeln, und lies mir etwas vor! Ich würde gern etwas von Mr. Boswell hören, falls du das Buch nicht verlegt hast."
★
Endlich war Heiligabend. Um die Mittagszeit trafen Sophias und Florences Ehemänner ein, wodurch sich die Erwartung der Kinder ins Unermeßliche steigerte.
Ihren Höhepunkt erreichte sie am Abend, als im Salon die Strümpfe aufgehängt wurden. Robin wurde zu diesem großen Ereignis heruntergetragen und durfte eine halbe Stunde mit den anderen zusammen Weihnachtslieder singen. Dann wurden alle Kinder unter den üblichen Küssen und gutmütigen Drohungen ins Bett gesteckt.
Nachdem sie verschwunden waren, holten Jack und Porter, Florences Mann, den Baum aus dem Holzschuppen. Dort hatte man ihn versteckt, seit Emilys Vater ihn am Morgen gebracht hatte.. Es war eine dunkelgrüne und üppige Douglastanne. Ihre obersten Zweige streiften die Zimmerdecke.
„Sie ist wunderschön", stellte Eveline begeistert fest und klatschte in die Hände. „Ich behaupte, daß wir noch nie einen schöneren Baum gehabt haben."
„Das sagst du jedes Jahr", meinte Gray. „Und Sophia wird gleich über den Christbaumschmuck in Entzückung geraten."
Der Schmuck war in weiches Papier eingewickelt, in
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