Historical Weihnachtsband 1990
wohl nach einem Bowiemesser oder einer Pistole suchen, aber im Moment ließ er sie einfach gewähren. Es wurde Zeit, sich erst einmal häuslich einzurichten.
„Wo befindet sich Miss Hintons Zimmer, Peter?" fragte er lediglich.
„Im Obergeschoß, zweite Tür links, Sir", erwiderte der Angeredete unsicher.
Travis nickte und lächelte. „Danke, Peter. — Sikes, suchen Sie sich ein Zimmer aus und für mich auch gleich eins. Was die Männer betrifft..."
„Zur Scheune gehört ein komplettes Bettenhaus", warf Peter ein. „Mit Kamin und Kochherd und allem Drum und Dran, Sir. Da können dreißig Mann leicht unterkommen."
„Dann bleiben aber Sergeant Sikes und ich allein im Haus, nicht wahr, Peter? Du führst doch wohl nichts im Schilde?"
Peter schüttelte den Kopf.
„Aber deine Herrin vielleicht."
Der Butler blickte zu Boden, aber vorher konnte Travis noch so etwas wie Bestätigung in seinen Augen erkennen. Sie war wirklich gefährlich, diese Miss Märchenprinzessin Hinton, aber er konnte damit fertig werden. „Schön, Peter, danke sehr. Die Männer bekommen das Bettenhaus. Sikes und ich suchen uns hier unsere Zimmer, und wenn dir Miss Hintons Leben lieb und teuer ist, dann paß auf, daß sie sich entsprechend benimmt."
Peter nickte, aber Travis befürchtete, daß der Butler dieser Aufgabe möglicherweise nicht gewachsen sein könnte.
„Ich werd's bestimmt versuchen, Captain, ich werd's bestimmt versuchen", beeilte sich Peter, ihm zu versichern.
Travis wandte sich einem der Korridore zu, die von der Eingangshalle abzweigten, um einen Raum zu finden, der ihm als Büro dienen konnte, hielt jedoch inne und drehte sich noch einmal um. „Weshalb?" fragte er Peter.
Der Butler grinste und ließ dabei seine weißen Zähne blitzen. „Ich will nicht erleben, daß sie von euch Yanks abgeknallt wird, Captain, und das ist Tatsache."
Travis nickte, lächelte und nahm seinen Inspektionsgang wieder auf. Er wedelte mit der Hand. „Sorgen Sie für die Männer, Sikes! Und für sich selbst. — Peter, wann ist Essenszeit?"
„Ich kann Ihnen in einer Stunde servieren, Captain."
„Eine Stunde. Jeder im Hause. Es ist noch nicht ganz Heiligabend, aber wir werden mal so tun als ob. Alle Mann an der Tafel, außer ein oder zwei Wachen."
„Nur zwei, Sir?" fragte Sikes.
„Nur zwei. Der Feind lauert heute nacht im Haus."
★
Isabelle Hinton erschien nicht zum Abendessen. Die Männer aßen, wärmten ihre Hände am Kaminfeuer und bewunderten
das feine Geschirr und Tafelsilber und die Kristallkelche, als wäre ihnen solcher Luxus seit Jahren nicht unter die Augen gekommen. Es war Ewigkeiten her, seit sie das letzte Mal an solch einer Tafel Platz genommen hatten. Sie hatten praktisch das ganze Jahr hindurch nur gekämpft.
Am schlimmsten war es bei Sharpsburg gewesen, am Antietam Creek. Noch nie hatte Travis so viele Männer sterben und die Leichen sich so hoch auftürmen sehen, hatte noch nie so viel Blut gerochen. Ganze Maisfelder waren vom Artilleriefeuer abgemäht worden. Yankees und Rebellen hatte es gleichermaßen erwischt, und diese Schlacht allein hatte sie alle gelehrt, daß der Krieg ein Teufelswerk war.
Während die Männer im Salon Piano spielten und Weihnachtslieder sangen, zog sich Travis in das Zimmer zurück, das er zu seinem Büro erkoren hatte. Die Stiefel auf den Schreibtisch hochgelegt, nippte er an einem Glas Brandy und blickte gedankenverloren in das lodernde Kaminfeuer. Er schloß die Augen und vermeinte einen Moment die Hitze von Sharpsburg wieder zu verspüren. Er hatte Kartätschenkugeln in die Schulter bekommen und sich damals gefragt, ob es nicht besser wäre zu sterben, als auf das Einsetzen des Wundfiebers zu warten. Doch er hatte den Arm nicht verloren, war nicht gestorben, hatte überlebt, um weiterzukämpfen.
Travis überlegte, was er wohl tun würde, wenn er zu Hause wäre, nicht im eigenen Haus freilich, denn seit seine Frau damals ein Opfer der Windpocken geworden war, hatte er es vermieden, den Urlaub dort zu verbringen, nie aber, seine Familie zu besuchen. Er wäre zu seiner Mutter in die Stadt gefahren, wo ein riesiger Truthahn in der Röhre schmoren und das Aroma von in Honig eingelegtem Schinken das Haus durchziehen würde. Seine Schwester Liz wäre da mit den Kindern, Allen würde ihn über West Point ausfragen, während Eulalie den Wunsch äußern würde, auf seinen Knien zu reiten.
Jack, sein Schwager, würde mit seinem Schwiegervater über Gesetze diskutieren, und all die
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