Historical Weihnachtsband 1990
Boden verschwinden!"
Travis stieg ab und wandte sich den Stufen zu, die zur Veranda hinaufführten. Sein schweres Wollcape, von einer plötzlichen Windbö erfaßt, flappte hinter ihm. Er zupfte kurz an die Stirnseite seines federgeschmückten Hutes, als Zeichen der Höflichkeit gegenüber einer Dame, doch ehe er noch den ersten Schritt tun konnte, wirbelte er auch schon vor Überraschung herum.
Sie hatte tatsächlich geschossen und mit ihrem Schuß die Feder an seinem Hut gestreift.
„Verdammt noch mal!" brüllte er.
Hinter ihm wurden zwanzig Hähne gespannt.
„Feuer halt! Feuer halt!" schrie der Captain seinen Männern zu, riß sich den angesengten Hut vom Kopf und schleuderte ihn von sich, so daß er auf eine Schneewehe fiel. Dann wandte er sich wieder diesem seltsamen Engel des Südens zu, und seine Augen schossen zornige Blitze ab. „Was ist denn in Sie gefahren?
Wenn Sie mich getroffen hätten . . ."
„Wenn ich Sie hätte treffen wollen, Captain, wären Sie jetzt tot", versicherte sie ihm in leisem, getragenen Tonfall. „Und jetzt nehmen Sie Ihre Männer und verschwinden Sie hier!"
Travis warf sein Cape zurück, setzte einen Stiefel auf die unterste Stufe, stemmte die Hände in die Hüften und biß die Zähne zusammen. Es gab keinen leichten Weg, jemandem seinen Besitz abzunehmen, aber es herrschte eben Krieg.
„Sie hatten also nicht vor, mich zu treffen, wie?"
„Glauben Sie mir nicht, Captain?" Dabei hob sie eine zierliche Braue.
„Doch, Madam, ich glaube Ihnen. Wenn nicht, dann säßen Sie jetzt bereits gefesselt auf dem Rücken eines Pferdes."
Er sah, wie sie die Augen zusammenkniff und Röte in ihre Wangen stieg. Sie begann, das Gewehr erneut auf ihn zu richten, und wenn er auch gern geglaubt hätte, daß sie weder so dumm noch so heimtückisch war, einen Mann zu erschießen — mochte es auch ein Yankee sein — so wollte er doch kein Risiko eingehen.
Aylwin sprang die übrigen Stufen hoch und schlang einen Arm um ihre Taille, um ihr das Gewehr wegzunehmen. Sie ließ ein kurzes Keuchen hören, doch ihr Griff war fest, und seine Anstrengung, ihr die Waffe zu entwinden, ließ sie beide das Gleichgewicht verlieren. Sie taumelten die Treppe hinab und stürzten in eine Schneewehe. Instinktiv versuchte Travis, ihren Sturz mit seinem Körper abzufangen.
Er wußte nicht warum, schließlich wollte sie ihn ja töten. Vielleicht konnte er einfach den Gedanken nicht ertragen, daß ein so schönes Wesen sich irgendwie verletzen könnte.
Auch nachdem sie gelandet waren, tobte und kämpfte die Frau noch weiter. Travis zwang sie unter sich, ergriff sie bei den Handgelenken und stieß einen Fluch aus. Es ließ sich nun einmal nicht auf eine nette Art erledigen.
„Lady, im Namen der Regierung der Vereinigten Staaten . .
„Zur Hölle mit der US-Regierung! Das hier ist die Konföderation. Drohen Sie mir nicht mit der US-Regierung."
„Lady . . ." Seine Stimme klang müde. „Wir befinden uns im Krieg."
„Verlassen Sie sofort mein Eigentum!"
„Im Namen der . . ."
„Gehen Sie von mir runter! Ich höre auf keine Regierung, die . . ."
Er riß ihre Hände mit einem Ruck nach vorn, hoch über ihren Kopf, und beugte sich ganz dicht über sie. „Also, wenn Sie nicht auf die Regierung hören wollen, dann hören Sie wenigstens mir zu. Und Ihnen bleibt auch gar nichts anderes übrig, denn ich bin doppelt so schwer und zehnmal so stark wie Sie. Und ich habe zwanzig bewaffnete Männer hinter mir. Ist Ihnen das logisch genug? Hören Sie mir also zu, und hören Sie gut zu! Ich beschlagnahme dieses Haus. So etwas nennt man Konfiszieren, und das kommt zu Kriegszeiten immer wieder vor. Es tut mir leid, daß Ihr Grundstück so dicht an der Grenze liegt, aber so ist es nun mal."
Sie blinzelte, und Travis sah, daß Schneeflocken an ihren Wimpern hingen und ihre Wangen bestäubten. Sie war ganz weiß und zitterte unter ihm. Er wußte nicht, ob vor Kälte oder Wut. Sie befeuchtete ihre Lippen, um etwas zu sagen, und er ertappte sich dabei, wie er fasziniert ihren Mund, ihre rosa Zunge betrachtete, als sie sich damit über die Lippen fuhr. Es waren wundervolle Lippen, klar gezeichnet, voll, sinnlich, einfach unwiderstehlich. Er hätte sie gern berührt, hätte gern die knisternde Hitze verspürt, die er in den Höhlungen ihres Mundes vorfinden würde.
Die Kälte des Tages ließ ihn erschauern.
Dann sprach sie, wobei der Atem aus ihr herausstieß wie eine plötzliche Windbö. „Sie werden das Haus nicht in Brand
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