Historical Weihnachtsband 1990
Spur von Erbarmen. Travis verstärkte den Druck auf ihr Handgelenk, und das Messer landete polternd auf dem Boden.
„Wozu hätte es denn gut sein sollen, mich umzubringen?" fragte er sie.
Sie versuchte, sich seinem Griff zu entziehen, doch Travis kannte keinen Pardon. Ein arglistiger Dämon in ihm hatte gar seinen Spaß an ihrem vor Anstrengung geröteten Gesicht und der Art und Weise, wie sie sich in dieser für sie äußerst unangenehmen Lage auf ihm hin und her wand. Schließlich hatte er sie ja nicht in sein Schlafzimmer gezerrt, sondern sie war aus eigenem Antrieb gekommen.
„Ich wollte Sie ja gar nicht umbringen", beteuerte sie.
Er strich mit beiden Händen an ihren Armen herunter, verschränkte dann seine Finger mit den ihren und zog Isabelle an seine Seite, beugte sich über sie. Sie schluckte und versuchte sich zu wehren, aber immer noch schrie sie nicht, gab sich jedoch alle Mühe, seinem Blick auszuweichen. „Ich verstehe", sagte er ernst. „Sie wollen also nur einem lieben Hausgast eine Rasur anbieten."
Sie senkte den Blick auf seinen nackten Körper. Er konnte das Heben und Senken ihrer Brüste verspüren, den Umriß ihrer Hüften, die atemberaubende Hitze ihres Körpers. Er wußte, daß ihr seine steigende Begierde, seine erwachte Manneskraft, in diesem hautnahen Zweikampf nicht entgangen sein konnte.
„Ich — ich wollte nur .. ." Ihre Stimme versiegte.
„Sie kamen her, um mich zu erdolchen!" schnauzte Travis.
„Nein, ich . . ."
„Doch, verdammt noch mal!"
Plötzlich begegnete sie seinem Blick. Ihre Augen blitzten vor Zorn, vor Erkennen, vor Furcht. Und dann noch etwas. „Also
gut", flüsterte sie. „Ich dachte, ich sollte Sie lieber töten, bevor Sie Schande über mein Heim bringen. Aber dann . . ."
„Dann was?"
Isabelle befeuchtete ihre Lippen. Sie senkte die Wimpern und war dabei so schön, daß Travis sich kaum zurückhalten konnte. Er hätte am liebsten dem Ruf entsprochen, den die Yankee-Soldaten im Süden genossen. Er wollte sie in die Arme nehmen, sie besitzen, sie um jeden Preis lieben. Er hätte jede Hoffnung auf einen Platz im Himmel dafür gegeben, seine Hände mit dem Gewicht ihrer Brüste zu füllen, ja, seine Seele hätte er dafür verkauft, in sie eindringen zu dürfen.
„Mir wurde plötzlich bewußt, daß Sie ein Mann von Fleisch und Blut sind . . ." Ihre Stimme erstarb, und ihr Blick begegnete seinem erneut. Sie hatte nie die Toten von Sharpsburg gesehen, sie hatte nicht das Gemetzel von Manassas miterlebt. Doch in dieser Nacht hatte sie mit dem Tod gespielt, und sie hatte entdeckt, daß er nichts Ruhmvolles, nichts Ehrenvolles war.
Sie hatte ihn als ein menschliches Wesen erkannt.
„Ich wünsche mir immer noch, Sie wären tot", zischelte sie und nahm den Kampf plötzlich wieder auf, so als hätte sie ihn nur kurz vergessen und wäre darüber erschrocken. „Sie sind für mich immer noch ein verdammter Yank und . . ." Ihr Atem kam stoßweise, und sie brach ab.
Travis lächelte, weil sie sich beide nur zu bewußt waren, daß er von Fleisch und Blut und ein ganzer Mann war.
„Bitte, Captain, wenn Sie jetzt so freundlich sein könnten, mich loszulassen?"
Travis lachte leise in sich hinein. Daß sie sogar in dieser Lage noch so perfekt die elegante, würdevolle, majestätische Königin des Südens spielen konnte . . .
„Tut mir leid", sagte er.
„Es tut Ihnen leid?" echote sie und merkte, daß er gar nicht daran dachte, sie loszulassen. „Aber — aber . . ."
„Ich kann nicht riskieren, daß Sie am Ende doch noch feststellen, daß Sie mich ja eigentlich umbringen müßten", sagte er, rollte sich vom Bett herunter und zog Isabelle dabei mit sich. Anstand konnte er sich in dieser Situation nicht leisten. Er suchte etwas, um sie zu binden, und sie mußte ihm wohl oder übel folgen, wohin er auch ging. Sie sträubte sich zwar, doch erbarmungslos zog er sie hinter sich her, bis er ein Halstuch gefunden hatte, führte sie dann zum Bett zurück, fesselte ihre Handgelenke und legte sie hin, ihr Gesicht von sich abgewandt.
Isabelle schimpfte, strampelte und protestierte, sie drehte und wand sich, bis sein Lachen sie warnte, daß sie durch ihre Bewegungen nichts anderes erreichte, als daß sich ihre Kleider gefahrlich hoch in Richtung Hüfte verschoben.
Dann fluchte sie nur noch wie ein Droschkenkutscher. Sergeant Sikes hätte ein oder zwei Ausdrücke von ihr lernen können.
„Schlafen Sie lieber!" empfahl Travis ihr schließlich. „Haben Sie keine
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