Historical Weihnachtsband 1991
sie etwas von seinem Inhalt.
Yancy lachte.
„Ich finde nicht, daß meine Probleme den geringsten Anlaß zur Heiterkeit geben, Mr. Medford!"
Yancy wußte, daß ihr der Grund für seine Heiterkeit nicht bewußt war, was die Sache für ihn noch belustigender machte.
„Aber Sie stecken ja auch nicht in meinen Schuhen." Da ihr das Sprechen ein wenig schwerzufallen begann, hob Amelia das Kinn und sah Yancy in die Augen. „Ich frage mich, wie Sie sich an meiner Stelle fühlen würden."
„Wenn ich eine Wette eingehe, meine Liebe, dann bin ich auch bereit, die Konsequenzen zu tragen. Das gehört doch einfach dazu!"
„Wollen Sie damit sagen, daß ich das nicht tue?" Sie hatte versucht, ihr Temperament im Zaum zu halten, aber jetzt begann es doch mit ihr durchzugehen.
„Es hat doch allen Anschein, oder etwa nicht?"
„Ich gehe. Und versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten." Ganz undamenhaft stützte sich Amelia mit einem Ellbogen auf den Tisch, um ihren schwankenden Körper im Gleichgewicht zu halten, und begegnete Yancys amüsiertem Grinsen mit einem unnachgiebig stieren Blick. „Aber bevor ich gehe, möchte ich Ihnen noch sagen, daß Sie ein äußerst ansehnlicher Bursche sind."
Er nickte. „Danke sehr. Und Sie sind eine sehr schöne Frau."
„Lassen Sie mich doch ausreden. Ich wollte noch sagen, daß Sie in meinen Augen eine Klapperschlange sind, Mr. Medford. Und ich mag keine Schlangen. Ich will Sie nie mehr wiedersehen. Ich werde mit meinen Problemen auch allein fertig."
„Und Sie, meine Liebe, sind eine Kobra, aber ich werde Sie wiedersehen.
Wahrscheinlich eher, als Sie denken. Denn sehen Sie, ich weiß, daß Sie in nicht allzu ferner Zukunft glücklich mein Bett mit mir teilen werden."
„Da soll doch . . ." Amelia sprang auf. Die hastige Bewegung machte sie schwindlig.
Sie merkte nicht einmal, daß sie ihren Stuhl umgestoßen hatte. Sie schwankte bedenklich, und dann hatte sie nur noch das undeutliche Gefühl, daß sie irgendwohin getragen wurde.
Als Yancy sich dem Ausgang näherte, lächelte er und bat dann George, ihm die Rechnung anzuschreiben. Ohne weitere Erklärung durchschritt er, Amelia in den Armen, die Tür.
„Stimmt etwas nicht mit Miss Simpson?" fragte besorgt ihr Kutscher.
„Nein, es geht ihr gut. Fahren Sie nur zurück, ich werde dafür sorgen, daß sie nach Hause kommt."
Der Kutscher zögerte.
Yancy schenkte ihm ein süßliches Lächeln. „Sie hat ein wenig über den Durst getrunken und braucht frische Luft. Ich sorge dafür, daß sie nach Hause kommt", wiederholte er.
„Sehr wohl, Sir." Beruhigt kletterte der Kutscher auf den Bock und fuhr wenige Augenblicke später los.
„Wo bin ich?" murmelte Amelia.
„Auf dem Heimweg, meine Liebe."
Yancy stieg in seine Kutsche und setzte Amelia neben sich. Bevor er die Tür schloß, befahl er Thomas, nach Hause zu fahren. Amelia schmiegte sich an ihn, dann fühlte sie warme Lippen auf ihren. Wundervolle Lippen, die sie küßten, wie sie noch nie geküßt worden war. Sie wollte nicht, daß es aufhörte. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
★
Als Amelia erwachte, hatte sie einen fürchterlichen Geschmack im Mund. Sie setzte sich auf und verspürte ein gnadenloses Hämmern in ihrem Kopf. Stöhnend schlug sie langsam die Augen auf. Ihr körperlicher Zustand war sofort vergessen, als sie feststellte, daß sie nicht in ihrem eigenen Schlafzimmer war. Ihr fiel das Dinner ein, der Wein, das Schwindelgefühl, und daß sie jemand getragen hatte. Und dann noch, mit aller Deutlichkeit, Yancys Kuß. Sie legte die Hände an den dröhnenden Schädel.
„O nein", seufzte sie aus tiefstem Herzen und erinnerte sich plötzlich, daß sie ihn wiedergeküßt hatte. Und das mit aller Gründlichkeit!
Und was allem die Krone aufsetzte: Sie hatte in einem fremden Bett geschlafen, nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet. Geschwind blickte sie sich um und erspähte schließlich, über einen Stuhl geworfen, ihr Kleid und ihre Petticoats.
Amelia sprang aus dem Bett, mußte jedoch einen Moment stehenbleiben, um das Schwindelgefühl loszuwerden, das sie von neuem überkam. Mit immer noch dröhnendem Schädel, aber sicherer auf den Beinen, erreichte sie, einen Fuß vor den anderen setzend, ihre Kleider.
Ohne die Dienste einer Zofe erwies sich das Anziehen als keine leichte Aufgabe.
Nachdem es ihr schließlich gelungen war, ihre Kleider in einigermaßen geordneter Weise anzulegen, öffnete sie die Tür und spähte einen langen Korridor auf und ab.
Niemand war in
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