Historical Weihnachtsband 1991
sie nicht heiraten wollen, also können Sie bei der Sache gar nicht gewinnen. Sicher werde auch ich eines Tages heiraten, aber sie bestimmt nicht."
Carlton hoffte, daß sich bei Yancy das gleiche Vorgehen wie bei Amelia bewähren würde. „Wollen Sie damit sagen, daß Sie soviel
Vertrauen auch wieder nicht haben, daß Sie die Wette gewinnen?"
„Die Wette ist und bleibt lächerlich."
„Dann geben Sie also zu, daß mein Pferd Ihr Pferd besiegen kann."
„Ich sage nichts dergleichen." Yancy lächelte zuversichtlich. „Also gut, wenn Sie so darauf erpicht sind, Ihr Pferd zu verlieren, dann soll die Wette gelten. Und sagen Sie nachher nicht, ich hätte Ihnen keine Möglichkeit des Rückzugs gegeben."
„Gut. Oh, da wäre noch etwas. Falls Sie verlieren, wäre es mir lieber, wenn Amelia nichts von unserem kleinen Abkommen erfährt."
Yancys Lächeln wurde breiter. „Halten Sie das, wie Sie wollen. Am Sonntag werden wir ja sehen, wer von uns beiden der Dumme ist."
Als Carlton nach Hause zurückkehrte, war er in einer solchen Hochstimmung, daß er kaum noch den Boden unter seinen Füßen zu spüren vermeinte. Yancy besaß die feste Hand, die Amelia brauchte, und wenn alles so lief, wie er es geplant hatte, würde sie endlich seßhaft werden und sich zu einem entzückenden Eheweib mausern.
Er summte vor sich hin, als er den Salon betrat. Ruth saß still über eine Näharbeit gebeugt. „Meine Liebe", sagte Carlton voller Stolz, „ich denke, ich habe endlich den richtigen Mann für Amelia gefunden."
„Wen denn?"
„Yancy Medford."
Ruth glotzte ihren Mann verständnislos an.
Am frühen Sonntagmorgen fand das Rennen statt. Bis zum Finish lagen die beiden Pferde dicht zusammen, dann, gerade im rechten Moment, schoß Carltons Hengst nach vorn. Yancy hatte die Wette leider verloren.
5. KAPITEL
Als Amelia vor dem sonntäglichen Abendessen den Salon betrat, war sie nicht wenig überrascht, Yancy in ruhigem Gespräch mit Ruth und Carlton anzutreffen. „Was tun Sie denn hier?" verlangte sie zu wissen. Als Yancy auf sie zutrat, bereitete ihr das Zwinkern in seinen blauen Augen äußerstes Mißbehagen.
Er nahm ihre Hand und drückte einen Kuß darauf. „Nun, meine Liebe", flötete er,
„da wir doch nun heiraten werden, hielt ich es nur für angebracht, unserer Hochzeit eine Periode der Brautwerbung vorangehen zu lassen. Ich beabsichtige, von nun an jeden Tag an deiner Seite zu verbringen, damit wir uns besser kennenlernen."
„Das kann doch nicht wahr sein!" Amelia sah ihren Bruder an. „Du weißt doch, was für ein Schuft er ist. Wie kannst du eine solche Liaison auch nur in Betracht ziehen?"
„Es war deine Wahl, Amelia."
„Nein! Da mache ich nicht mit. Ich habe meine Meinung nämlich geändert. Ich will jetzt einen anderen heiraten. Und zwar Sidney Bishop."
Mitleidig sah Carlton sie an. „Tut mir leid, meine Liebe, aber du hast deine Wahl bereits getroffen. Als dein Vormund werde ich für die Einhaltung deines einmal gegebenen Wortes sorgen. Was soll denn Yancy nur von uns denken, wenn er uns plötzlich so daher reden hört?"
„Es ist mir egal, was Yancy denkt."
„Ich bin sicher, daß sich deine Gefühle mir gegenüber noch ändern werden, bis wir vor den Traualtar treten", meinte Yancy
zuversichtlich. „Andere Frauen pflegen mich als höchst charmant zu bezeichnen."
„Oh!"
Amelia wollte den Raum verlassen, doch Yancy ergriff sie beim Arm und hakte ihn bei sich unter, wodurch er ihren Rückzug effektvoll verhinderte. „Ich denke, das Essen wartet", sagte er und marschierte mit ihr ins Speisezimmer. Als sie den Tisch erreichten, hielt er Amelia den Stuhl und nahm dann neben ihr Platz.
Innerlich schäumend, weigerte sich Amelia, am allgemeinen Tischgespräch teilzunehmen, und rührte kaum etwas an. Yancys Anblick, wie er da Carlton und Ruth charmant unterhielt, hob ihre Stimmung kein bißchen. Sie hingegen genossen seine Gesellschaft. Wie konnten sie nur so blind sein? Zwar mochte der Mann mit seinem Aussehen so mancher Frau den Atem rauben, doch in ihren Augen war er ein unaufrichtiger, zwielichtiger Typ. Sie haßte ihn von ganzem Herzen.
Als Amelia sich von dem Schock zu erholen begann, daß Yancy mit der Heirat einverstanden war, begann sie über Mittel und Wege nachzudenken, wie sie da wieder herauskommen konnte. Die Lösung war in der Tat ganz einfach: Sie würde ihm die Hölle heiß machen, und daraufhin würde er sich aus der Sache zurückziehen. Ohne daß es ihr selbst bewußt war,
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