Historical Weihnachtsband 1991
bekundet, und wenn er irgendwann einmal heiraten würde, dann bestimmt nicht sie. Sie kannten sich ja nicht einmal näher!
Amelia nahm ihre Chinchilla-Stola und legte sie sich über den Arm. Im stillen nahm sie sich vor, daß sie sich heute abend nicht mit solchen Dingen belasten wollte. Dies war ihr erster Ball seit ihrer Rückkehr aus Europa, und sie wollte ihn in vollen Zügen genießen.
Als sich Amelia im Salon zu den anderen gesellte, mußte sie einräumen, daß Yancy in seiner Festtracht eine äußerst ansehnliche Erscheinung bot. Aber an ihm sah natürlich alles gut aus. Dabei hätte ihn bestimmt niemand als geziert bezeichnen können. Seine breiten Schultern, die schmalen Hüften und sogar sein wie gemeißelt wirkendes Gesicht ließen keinen Zweifel an seiner vollkommenen Männlichkeit.
„Ich muß schon sagen, heute abend hast du dich selbst übertroffen", stellte Yancy bewundernd fest, während er Amelias Stola nahm und sie ihr um die Schultern legte. „Das Warten hat sich fast gelohnt." Er blickte zu Ruth und Carlton hinüber.
„Wenn alle soweit sind — draußen wartet meine Kutsche."
Sämtliche Fenster waren erleuchtet, und der Ball war in vollem Gang, als die Kutsche vor der eleganten Villa hielt. Als die beiden Paare eintraten, kamen ihnen Elizabeth und Jason Holter entgegen, um sie willkommen zu heißen. Die Frauen nickten einander zu, und die Männer schüttelten sich die Hand.
„Ich dachte schon, ihr kommt nicht", sagte Elizabeth. „Aber du kommst ja immer zu spät, Amelia, ich hätte es wissen sollen. Ich glaube, mit deinem gutaussehenden Begleiter hatte ich noch nicht das Vergnügen." Sie reichte Yancy die Hand.
„Yancy Medford", sagte Yancy und hauchte einen Kuß auf den Rücken ihrer Hand.
Niemandem entging der Ausdruck von Überraschung auf Elizabeths Gesicht. „Ich habe viel von Ihnen gehört, Mr. Medford. Sie sollten sich schämen, daß es so lange dauert, Ihre Bekanntschaft zu machen."
Elizabeth hatte den Gipfel ihres Ruhmes erreicht. Alle ihre Bekannten hatten mehr als nur einmal versucht, diesen schwer faßbaren Mann zu ihren Veranstaltungen einzuladen, doch soviel sie wußte, war dies das erste gesellschaftliche Ereignis dieser Art, zu dem er erschien. Nun erst würde der Ball zum durchschlagenden Erfolg und zum Stadtgespräch werden. „Ich hoffe, Sie werden sich gut amüsieren", girrte sie.
„Bei einer derart charmanten Gastgeberin dürfte das nicht schwierig sein."
„Nein, so was!" sagte Elizabeth, offensichtlich erfreut über das Kompliment. „Der ist aber charmant!"
Niemand hörte Amelias mißfalliges Knurren.
Ein Diener nahm ihnen die Umhänge ab, und die beiden Paare betraten den Ballsaal.
Das Orchester spielte gerade einen Walzer, und die schön gekleideten Damen, die mit ihren Partnern auf der Tanzfläche herumwirbelten, ergaben ein farbenprächtiges Bild. Amelia kam es vor, als richteten sich die Augen all derer, die gerade nicht tanzten, auf sie, die sie an der Seite einer so berühmten Persönlichkeit auftrat. Sie konnte die Leute sogar flüstern hören. Als sie daran dachte, daß alle Frauen ganz aufgeregt wurden, wenn man sich bei ihnen nach Yancy erkundigte, mußte sie lächeln. Sie wußte, daß im ganzen Saal keine Frau war, die nicht grün vor Neid war und daraufbrannte zu erfahren, wie sie es fertiggebracht hatte, den notorischen Junggesellen Yancy Medford als Begleiter einzufangen.
Bevor irgendjemand sie mit Fragen bestürmen konnte, führte Yancy sie zum Tanz, und es dauerte nicht lange, bis Amelia entdeckte, daß er für einen Mann seiner Statur erstaunlich leichtfüßig war. Zu schade, daß sich sein Charakter nicht mit seinen Tanzkünsten messen ließ.
Amelias Tanzkarte war schnell voll, da sich alle unverheirateten jungen Burschen um ihre Zuwendung rissen. Doch jedesmal wenn sie durch den langgestreckten Saal tanzte, sah sie Yancy mit einer anderen Frau in den Armen. Amelia fand es abstoßend, wie die Damen lachten und ihn anhimmelten, als wäre er ein griechischer Gott.
In Verfolgung ihres Planes, den Mann schnell wieder loszuwerden, stellte sie seine Geduld mehrfach auf die Probe, indem sie ihm befahl, ihr ein Glas Punsch oder sonst etwas zu bringen, was ihr gerade einfiel. Zu ihrem Ärger scheute er vor nichts zurück und beschwerte sich nicht. Damit hatte sie nicht gerechnet, andererseits schmeichelte es ihrer Eitelkeit, sich von ihm bedienen zu lassen.
Als sie merkte, daß ihr Plan so nicht funktionierte, entschloß sich Amelia zu
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