Historical Weihnachtsband 1991
als rundete sich der Kreis von Jugend und Greisenalter vor Weihnachten. Fast jedes Gespann hatte Glöckchen am Geschirr, viele Menschen trugen kleine Stechpalmenzweiglein am Mantel oder Mistelbüschel in der Hand.
In den Schaufenstern hingen fette Schinken und feiste Truthähne, beim Bäcker lagen Laibe frischen Brotes und duftende Kuchen in Körben und auf ausgebreiteten Tüchern zur Auswahl. Es war, als würde es im Herzen der Menschen singen und klingen. Auch Angelica ging beschwingt und bog um die Ecke zu Phoebes Haus.
Die Familie war in der Küche versammelt. Phoebe überwachte die Prozedur, bei der Malzbonbons entstanden, und die Köchin kandierte Orangenschalen. Lachen und der schwere Duft der Gewürze füllten den Raum. Die beiden Herren standen in Hemdsärmeln jedermann im Wege, indem sie sich nützlich zu machen suchten und Backbleche befetteten. Als Angelica die Tür geöffnet hatte, hatten sie drinnen eben die letzte Strophe eines Weihnachtsliedes gesungen. Matthews samtiger Bariton und
Geoffreys metallischer Tenor hatten die hellen Stimmen der Kinder und Phoebes hohen Sopran begleitet. Matthew war verstummt, als er Angelica bemerkt hatte.
Einen gepreßten Atemzug lang trafen sich nun ihre Blicke, und ihr schien die Zeit stillzustehen. Dann lächelte er, und Angelica fühlte sich in den Kreis aufgenommen.
Sie setzte den Häkelkorb auf einem kleinen Tisch ab und borgte sich eine Schürze von der Köchin. Phoebe hielt die drei Kinder in vorsichtigem Abstand und rührte in einem Topf mit kochendem Zuckerwasser.
„Du kommst wie gerufen, Angelica. Hier, versuch mal. Ich habe ein paar Hände zuwenig."
Mit einem Holzlöffel holte Angelica Zuckermasse aus dem quirlenden Gemisch und tauchte sie in kaltes Wasser. Mit kundigen Fingern löste sie den erhärteten Überzug und drückte ihn ans Ohr, preßte und vernahm ein leises Krachen. „Gerade richtig", sagte sie.
Phoebe lachte. „Was für ein Glück. Ich hatte erst zuviel Wasser und dachte schon, mein Arm würde beim Umrühren gleich abfallen."
Matthew reichte ihr ein Gefäß mit Zitronensaft, sie setzte der Zuckersoße einige Tropfen zu und trat zur Seite. Er hob den schweren Topf vom Herd und stellte seine Last in einen großen Eimer mit kaltem Wasser. Hastig ließ Phoebe etwas von der Mischung auf die Marmorplatten tropfen, wo sie sich sofort verteilte und erstarrte.
„Brich es in Stücke", befahl Phoebe ihrem Mann, „und mach Platz für die nächste Ladung."
„Ja, Mylady", dienerte Geoffrey schalkhaft und legte die Hand an einen imaginären Mützenrand. „Natürlich, Ma'am, ganz zu Diensten." Phoebe drohte ihm mit der freien Hand, und er duckte sich lachend.
Angelica und Matthew kümmerten sich um die übrige Masse, brachen sie in kleine Stücke und verteilten auch einige davon an die Kinder. Das meiste freilich kam in den Tonkrug, in dem während des ganzen Jahres die Malzbonbons aufbewahrt und frisch gehalten wurden. Völlig unerwartet steckte Matthew Angelica ein eben erkaltetes Bonbon in den Mund. Dabei berührte er mit den Fingerspitzen ihre Lippen. Die vertrauliche Geste ging Angelica durch und durch. Matthew lächelte ihr zu und wandte sich ab.
Angelica fand es klüger, ihre Aufmerksamkeit etwas anderem zuzuwenden, und bot der Köchin ihre Hilfe an. So konnte sie es vermeiden, Matthew anzuschauen, ließ aber dafür immer wieder die Zunge über die kleine Malzköstlichkeit im Mund gleiten, um ja recht lange den süßen Geschmack zu genießen. Matthew stimmte eben mit den Kindern ein neues Lied an. Selbst die Köchin, sonst darauf bedacht, ihr Reich gegen Eindringlinge zu verteidigen, lächelte beim Zuhören.
★
Kaum war eine Strophe zu Ende, plapperte Stella los.
„Ich hoffe, daß ich eine Puppe zu Weihnachten bekomme", erklärte sie Matthew Thornton. „Mama meint, wenn ich ein braves Kind war, könnte es sein."
„Ich verstehe." Er nickte, als könnte er sich nichts Bedeutsameres denken. „Und bist du ein braves Mädchen gewesen?"
„Ziemlich brav", gestand sie.
Tom griff nach einem Stück Malzzucker, brach es auseinander und reichte seinem Bruder die Hälfte. „Ziemlich brav, für ein Mädchen", verbesserte er.
„Ich wünsche mir Zinnsoldaten", ließ sich nun Tim vernehmen. „Und Tom wünscht sich auch welche. Und wir hätten auch gern neue Rodelschlitten."
„Und ich ein Teeservice für die Puppenstube", verkündete Stella mit strahlenden Augen.
Tim setzte hinzu: „Einen Trommler, der die Trommel rührt, wenn man
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