Historical Weihnachtsband 1991
begleite Sie", wiederholte er ruhig. Es hatte keinen Zweck, zu widersprechen.
Matthew Thornton war ein ebenso eigenwilliger Mensch wie sie selbst.
So hüllten sie sich fest in die Überkleider. Phoebe bestand darauf, daß Angelica noch von den Bonbons mitnehme, die inzwischen ganz abgekühlt und fest geworden waren. Angelica freute sich, Peggy damit eine Freude zu bereiten. Das Mädchen aß schrecklich gern Süßigkeiten und bekam sie so selten.
★
Immer noch schneite es. Die dicken Flocken sanken lautlos zu Boden. Phoebe hatte die Haustür noch nicht hinter dem Paar geschlossen, als Angelicas Mantel und Kapuze bereits weiß überzuckert schienen. Es waren nur vereinzelte Wagen unterwegs.
Diener gingen daneben her und halfen schieben, wenn die Räder in dem hohen Schnee steckenzubleiben drohten. Dagegen fuhren Schlitten mit fröhlichen, lachenden Menschen vorbei, die Glöckchen klingelten, die Pferde bliesen dampfende Atemwolken aus den Nüstern in die frostkalte Luft.
„Sie bringen mich so oft nach Hause", wandte Angelica sich an Matthew. „Einmal hatten Sie es so eilig, daß Sie nicht einmal einen Hut aufsetzten, und dann folgten Sie mir in einiger Entfernung."
„Sie haben mich also doch gesehen? Ich war nicht sicher. Ich blieb etwas hinter Ihnen, um Sie in der Dunkelheit nicht zu ängstigen."
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, danke, aber ganz unnötig. Ich bin seit Jahren daran gewöhnt, zwischen unseren Häusern hin- und herzugehen, und ich habe eigentlich nie einen Gedanken daran verschwendet, daß etwas geschehen könnte."
„Sie waren immer schon so schrecklich selbständig."
„Oh, bitte, zählen Sie nicht wieder alle meine Fehler auf. Ich habe wahrscheinlich mehr Fehler als sonst jemand auf der Welt und weiß selber nicht, welche es alle sind. Warum streiten wir eigentlich so oft? Können wir nicht wenigstens Phoebe und Geoffrey zuliebe Freunde sein?"
„Bin ich das für Sie, ein alter Freund der Familie?"
„Was sonst?" Sie hielt den Atem an. Hoffentlich gab er ihr jetzt wenigstens durch die Blume zu verstehen, ob er sie bloß schätzte oder tatsächlich noch mehr für sie empfand.
„Natürlich, was sonst?"
Sie gingen schweigend nebeneinander her. Matthew hatte Angelica den Handarbeitskorb abgenommen und sagte nach einer Weile: „Vielleicht habe ich doch einen Fehler gemacht, als ich mich entschloß, nach London zu übersiedeln? In York habe ich immer gelebt, dort habe ich . . . Freunde, Verwandte, Verpflichtungen.
Mag sein, ich sollte besser zurückgehen, das Haus reparieren lassen und mich mit dem zufriedengeben, was das Schicksal mit zugestanden hat."
„Wenn Sie so denken, warum haben Sie sich dann überhaupt mit dem Gedanken eines Umzuges getragen?" Sie hob die Röcke über eine Schneewehe, und der Wind blies die Petticoats hoch. Sofort ließ sie los und ging weiter, ob nun der Saum naß wurde oder nicht.
„Manchmal frage ich mich das auch." Matthew bot ihr den Arm und half ihr die zugeschneite Gasse entlang.
„Sie sagten doch, Sie hätten ein passendes Haus gefunden. Ist es in der Nähe?"
„Ziemlich, ja. Es ist zwar viel größer, als ich zuerst geplant hatte, aber unerhört günstig gelegen."
Angelica wollte nicht zeigen, wie brennend sie das alles interessierte, und fragte beiläufig: „Brauchen Sie denn ein großes Haus, wenn Sie es allein bewohnen werden? Große Häuser können schrecklich leer sein, auch wenn man noch so viel Dienerschaft hat."
„Ich hoffe, daß es nicht allzulang leer bleiben wird."
„Natürlich geht es mich nichts an, aber . . . haben Sie jemanden in York?"
„Ich habe nicht wie ein Mönch gelebt, falls Sie das meinen. Aber ich habe auch keineswegs die Absicht, die erstbeste zu heiraten, die mir über den Weg läuft.
Trotzdem wäre ich mancher Familie in York sehr willkommen."
„Verzeihung, ich wollte Sie nicht kränken. Ich fragte bloß . .."
„Auf Ihre Fragen weiß ich so selten eine Antwort."
„Aber die sind doch keineswegs schwierig. Man weiß doch, ob man sich mit Heiratsgedanken trägt oder nicht. Ich weiß es jedenfalls."
Matthew senkte den Kopf und stapfte eine Weile nachdenklich neben Angelica durch den Schnee. Endlich sagte er dunkel: „Ich möchte Sie nicht anlügen. Ja, ich liebe jemanden, aber ich bin ganz und gar nicht sicher, ob sie mein Gefühl erwidert oder nicht."
Angelica hatte den Eindruck, daß etwas in ihr entzweibräche. „Sie haben doch stets gewußt, was Sie wollten. Warum gehen Sie nicht einfach zu ihr
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