Historical Weihnachtsband 1991
könnten Sie nicht bestimmte Tage für die Ernte festsetzen. Wissen Sie denn nicht, daß das Wetter eine große Rolle spielt? Und vergessen Sie nicht den lieben Gott, der mit Sicherheit keine Befehle von der amerikanischen Regierung entgegennimmt. Ich habe genug von Ihnen, genug davon, angeführt und belogen zu werden ..."
„Beth", unterbrach Jerrod sie und machte einen Schritt auf sie zu. „Hören Sie mich an. Ich habe das Gesetz nicht gemacht, aber es ist meine Pflicht, seine Durchführung zu gewährleisten. Hier geht es nicht um Sie oder Tim oder Ihre Nachbarn. Die gesamte Armee muß den WTinter überstehen. Und ich kann Sie nur schützen, wenn uns das gelingt. Und deshalb müssen wir alle ..."
„Lassen Sie mich. Ich glaube Ihnen kein Wort mehr." Im gleichen Atemzug bereute sie, was sie gesagt hatte, und empfand Angst. Immerhin konnten sie und Tim sich nicht gegen die Gesetze, nicht gegen die Armee, nicht gegen die ganze Welt erheben. Sie hatte Jerrod Ross für einen wahren Freund gehalten, für einen Mitstreiter, bei dem sie Halt und Trost fnden würde. All das war ihr William, ihr Mann, der für die gerechte Sache gefallen war, gewesen. Und nun stellte sich heraus, daß Jerrod und überhaupt die Amerikaner auch Feinde waren. Dennoch konnte Beth nicht verhindern, daß er in ihrem Blut ein Feuer entfachte, sobald er sie nur berührte, selbst wenn es, wie eben jetzt, im Zorn geschah.
Jerrod hatte Beths Schultern umklammert, ließ sie aber gleich wieder los und trat einen Schritt zurück. Mit gefurchten Brauen schaute er sie ernst an, etwas wie Schmerz zuckte um den Mund. In militärisch straffer Haltung stand er vor ihr.
„Es tut mir leid, daß es zu . . . harten Worten kommen mußte, nachdem es so gut begonnen hatte, Mrs. McGowan. Aber glauben
Sie mir . . Er unterbrach sich und suchte nach den richtigen Worten. „Ich werde alles tun, was in meiner Macht liegt, solange ich es mit meiner Pflicht gegenüber der Fahne und der gerechten Sache verantworten kann, Ihnen und Tim beizustehen. Sie mögen es wollen oder nicht. Es ist schwierig, in diesen Zeiten als Frau mit einem kleinen Sohn durchzukommen."
Er sagte den folgenden Satz so leise, daß Beth Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Aber es ist auch kennzeichnend für eine Frau, demjenigen Vorwürfe zu machen, der ihr helfen will." Damit wandte er sich ab und schritt zur Tür. „Und ich werde dafür sorgen, daß Sie im nächsten Frühling ein gutes Ackerpferd bekommen als Ersatz für den alten Gaul, den ich nun mitnehmen muß."
Ohne den Kopf zu wenden, sagte Jerrod Ross, als er schon fast draußen war: „Und ich erwarte, daß Sie mich nicht mit der Waffe in der Hand an der Ausübung meiner Pflicht hindern werden."
Damit schlug die Tür hinter ihm zu.
Beth lief zum Fenster und lehnte sich dagegen. Tränen stiegen ihr in die Augen, als Jerrod den alten Hengst aus der Scheune holte, sein Pferd bestieg und davonritt.
Tim hatte die Hand seiner Mutter ergriffen, als wollte er trösten. Dabei schluckte er auch erst einmal hörbar.
„Und ich mag Lieutenant-Colonel Ross trotzdem gern. Wenn Vater so sehr an diese Sache geglaubt hat, daß er sich dafür hat totschießen lassen, so hätte er gewiß auch nichts dagegen gehabt, seinen liebsten Hengst herzugeben." Er unterdrückte ein Aufschluchzen und rannte aus der Küche. Beth hörte ihn noch die Treppe hinaufpoltern, dann das Zufallen der Tür zu Tims Zimmer.
Beth schaute Jerrod nach, bis er mit den beiden Pferden um die Wegbiegung verschwunden war. Warum mußte so schlimm ausgehen, was so vielversprechend und wunderschön begonnen hatte? Ihr war zum Weinen zumute. Nicht Jerrod Ross war ihr Feind. Sie hatte sich nur ihm gegenüber äußerst feindselig benommen. Tims Worte hatten ihr das deutlich zum Bewußtsein gebracht. Jerrod hatte recht. Der Junge versuchte, seinen Mann zu stehen, auch wenn er sich jetzt in seinen eigenen vier Wänden seinen Schmerz von der Seele weinen mußte.
Wie schnell sich Jerrods Züge ihr gegenüber verhärtet hatten! Seine letzte Bemerkung über weibliches Verhalten bestärkte Beth in der Annahme, er sei von einer Frau, die er geliebt hatte, hintergangen und enttäuscht worden. Doch was ging sie Jerrod Ross' Vergangenheit an? Es würde jedenfalls keine gemeinsame Zukunft für ihn und sie geben. Nicht nach diesem unangenehmen Zwischenfall.
Beth fühlte sich hin und her gerissen zwischen den widerstreitendsten Gefühlen.
Das Herz war ihr schwer. Einerseits grollte sie mit Jerrod
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