Historical Weihnachtsband 1991
und wußte nicht, wie er es anstellen sollte. Er war zu sehr daran gewöhnt, Befehle zu erteilen und notfalls unter besonders schwierigen Umständen mit Gewalt durchzusetzen, ohne jemals an Ungehorsam oder Widerrede zu denken. Er konnte daher nicht verhindern, daß die folgenden Worte kalt und hart kamen.
„Die Armee muß diesen Winter überleben, Beth, um im Frühling imstande zu sein, diese verdammten Engländer zu schlagen. Manchmal muß eben jeder einzelne Opfer bringen, um der Allgemeinheit zu helfen, das Gemeinwohl zu sichern."
„Das ist mir klar." Beth hob kampflustig den Kopf.
„Ich habe es nicht so gemeint. Ich weiß, daß Sie und Tim schon das größte Opfer gebracht haben. Dennoch ist es noch nicht alles. Und unsere Truppen bezahlen, was sie beschlagnahmen."
„Welch schöne Sache, man bezahlt. Aber man tut es in jener neuen Währung. Und wer traut schon dem Wert des Papiergeldes?"
„Was soll das heißen?" brüllte Jerrod Ross und ließ die Faust auf die Tischplatte niederkrachen. „Die Leute werden sich beizeiten daran gewöhnen müssen, uns zu vertrauen. Sonst könnte es gar leicht so sein, daß es im nächsten Frühling keine Vereinigten Staaten von Nordamerika mehr zu verteidigen gibt."
„Und weiter", unterbrach ihn Beth. Was würde sie wohl noch hören müssen? „Die Pferde, der Winterweizen, gilt das auch für meine Nachbarn und mich?"
„Mutter", sagte Tim.
Beth wehrte ab. „Tim, ich bitte dich. Lieutenant-Colonel Ross weiß selber, daß uns nur zwei Pferde geblieben sind. Abgesehen von diesem Befehl..."
„Ich kann nicht gegen den Befehl handeln, auch nicht, wenn es um Sie geht", widersprach Jerrod und hatte seine Stimme und sich selbst wieder in der Gewalt.
„Wir wollen eines gleich klarstellen. Es ist oft ein gewaltiger Unterschied zwischen dem, was wir tun müssen, und dem, was wir tun wollen. Und das wollte ich Ihnen mitteilen, ohne gleich mit meinen Leuten hier aufzutauchen."
Beth stieß den Stuhl, den sie für Jerrod Ross bestimmt hatte, so heftig gegen den Tisch, das das Geschirr klirrte.
„Wir haben nur zwei alte ausgediente Pferde, einen Hengst, der das Gnadenbrot frißt, und eine halblahme Mähre. Ich wehre mich entschlossen gegen derart ungerechte Beschlagnahmungen."
„Das kann ich Ihnen nicht verbieten. Aber selbst ein altes Tier kann Brennholz und Baumaterialien zum Lager ziehen."
Trotz der harten Linien um den Mund baten die dunklen Augen beredt um Verständnis. Beth fühlte sich hin und her gerissen. Jerrod hatte versprochen, ihnen zu helfen, sie zu beschützen, und nun hatte er das gegebene Wort gebrochen.
Wahrscheinlich war das für Soldaten in Kriegszeiten so üblich. Trotzdem erfüllte es Beth mit Angst, Schrecken und Zorn.
Ihre Stimme klang scharf, als sie sagte: „Was nun den Winterweizen angeht, so haben unsere Knechte ihn noch gepflanzt, bevor sie einrücken mußten. Allein und ohne den alten Hengst ist es mir nicht möglich, das Getreide zu schneiden und einzufahren. Dieser Befehl ist nicht nur ungerecht und ungerechtfertigt, sondern unmöglich auszuführen."
„Ich nehme an, daß die Nachbarn mithelfen können. Sonst werde ich Freiwillige schicken, sobald sie im Winterquartier entbehrlich sind."
Einen gepreßten Atemzug lang starrte Jerrod Ross düster in das Herdfeuer. Er hielt den Kopf abgewendet, um Beth nicht die Tränen merken zu lassen, die ihm in der Kehle brannten. Innerer Kampf zeichnete die hübschen klaren Züge. Natürlich hatte er volles Verständnis für ihre Ansichten, doch es war ebenso undenkbar, ihrer Bitte nachzugeben. Wenn Beth McGowan bloß die Armut sehen könnte, den Schmerz der Männer, die sich abmühten, in Valley Forge Winterquartiere zu errichten. Es gab Frostbeulen, abgefrorene Finger und Zehen, Durchfall und Ruhr zehrten an den schon schwindenden Kräften. Halbe Kinder sahen aus wie abgezehrte Greise. Die Menschen starben wie die Fliegen, die Pferde gingen eines nach dem anderen ein.
Unter solchen entmutigenden Umständen bauten diese Männer sich ihre Notunterkünfte, sammelten sich Brennholz zusammen und hatten die meiste Zeit weder Sold noch Lebensmittel erhalten. Langsam breitete sich die Hoffnungslosigkeit aus.
Unvermittelt drehte sich Jerrod zu Beth herum und sprach kalt und beherrscht weiter: „Außerdem muß nur die Hälfte des Weizens bis zum ersten Februar gedroschen sein, der Rest nicht vor März."
„Man sieht, daß Sie keine Ahnung von Landwirtschaft haben", schrie Beth entrüstet.
„Sonst
Weitere Kostenlose Bücher