Historical Weihnachtsband 1991
schlagen würden, als von Jerrods Leuten, die auf der Lauer lagen. Von dem jähen Auftauchen eines Reiters überrascht, konnte sich einer vielleicht hinreißen lassen zu schießen.
Aus diesem Grund verließ Beth das offene Land und ritt auf die Straße hinaus, bevor die Brücke in Sicht kam.
Beth sank der Mut, als sie sich dem bekannten Platz näherte. Weit und breit war keine Sperre zu sehen. Selbst die Brücke lag verlassen da. War etwas geschehen?
Waren die Soldaten weitergezogen? Plötzlich tauchte der Offizier aus dem Gebüsch auf. Die Köpfe der drei Männer hoben sich darüber.
„Was ist denn los?" rief Jerrod und nahm ihr den Zügel aus der Hand. „Warum hat der Ire Sie gehen lassen?"
„Oh, ich wußte nicht, daß ich eine Gefangene bin", gab Beth erst einmal schnippisch zurück, besann sich dann und lächelte. „Außerdem nahm ich an, Sie könnten alle hungrig sein. So kam ich über den Wiesenweg. Ich hatte gedacht, Sie könnten Freude an frischen Apfelklößen und etwas Kaffee haben."
Jerrod schwankte offensichtlich noch zwischen Überraschung und Unmut. Die drei Soldaten dagegen klatschten Beifall und nahmen Beth ihre Schätze nur zu gern ab.
Er hob sie aus dem Sattel und ließ die Hände noch ein wenig um ihre Taille liegen.
Beth sagte leise: „Betrachten Sie es als eine Art Festgeschenk. Immerhin haben wir in vier Tagen Weihnachten."
„Sie machen es mir schwer, Sie zu verstehen", sagte Jerrod und geleitete sie von der Straße weg zu einem Behelfslager hinter dem Gebüsch. „Als ich glaubte, Sie seien zornig, begannen Sie zu weinen. Als ich Sie für traurig hielt, lächelten Sie. Und nun, da ich der Meinung war, Sie haßten die aufgezwungenen Logiergäste, bringen Sie uns diese herrlichen Köstlichkeiten, die einen Mann bloß vom Duft her um den Verstand bringen könnten." Leise setzte er hinzu: „Genau wie du, Beth."
Er gab sie nur widerwillig frei, als ihm einer der Männer einen Kloß auf einem Teller reichte. Beth hatte ihnen sogar Geschirr mit hier herausgebracht. Gleich den anderen verschlang Jerrod Ross die süße Speise, noch warm aus dem Bratofen, und genoß sie, die ihm so verführerisch auf der Zunge schmolz. Gleichzeitig zuckte das Verlangen nach dieser ungewöhnlichen Frau durch seinen ganzen Körper, das Herz, den Sinn. Sogar jetzt in diesem
Augenblick hätte er Beth McGowan trotz der eisigen Kälte auf den hartgefrorenen Erdboden betten und nehmen mögen. Die Heftigkeit dieser Begierde erschütterte ihn. Dabei war er sich sicher, daß er Beth ebenso schützen wie besitzen wollte.
Nie hätte er es über sich gebracht, sie sich einfach zu nehmen und dann zu verlassen, wenn der Frühling wieder hinausrief zum Kampf. Er wäre nicht imstande, das wußte er, Beth und Tim zurückzulassen, schon gar nicht, wenn sie vielleicht sein Kind unter dem Herzen trüge. Und wie würde wohl sie empfinden, wenn er aufbrechen müßte? Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie schnell eine Frau sich von ihm abwenden konnte. Diesen Schmerz, das Gefühl des Mißtrauens, der Einsamkeit wollte er nicht noch einmal durchstehen müssen.
Mit seiner eisernen Selbstbeherrschung würde er sich wohl dazu zwingen, die Beziehung zu Beth nicht in eine vertraute münden zu lassen, sosehr es ihn auch mit allen Sinnen dazu trieb. Mit vielleicht noch Jahren dieses Unabhängigkeitskrieges vor Augen konnten sie jetzt keine dauernde Bindung eingehen.
Jerrod Ross fröstelte trotz der Glut seiner Empfindungen und des dampfenden Kaffees, den die Männer über dem Feuer erhitzt hatten. Er hielt die Zinntasse mit beiden Händen fest umschlossen. Seine Leute hatten die duftenden Klöße allzu schnell hinuntergeschlungen, ohne dabei die Straße unbeobachtet zu lassen. Jerrod Ross half Beth, das Geschirr in den Satteltaschen zu verstauen, und begleitete sie zu ihrem Pferd.
„Vergessen Sie nicht, das Feuer mit Erde und Schnee zu ersticken, bevor Sie aufbrechen", mahnte Beth noch den Corporal. „Man weiß, wie schnell ein Brand ausbrechen kann."
Jerrod Ross wußte bloß, daß in ihm selbst längst alles in Flammen stand. Selbst Worte, die Beth ganz absichtslos sagte, erregten ihn ungemein. In der vergangenen Nacht, und es würde in allen kommenden Nächten kaum anders werden, hatte er schlaflos auf dem Strohsack in der Küche gelegen, in dem Bewußtsein, daß Beth oben in dem warmen Bett ausgestreckt war, mit wirrem Haar. Hoffentlich würde es trotz allem dazu kommen, daß sie das Fest miteinander verbrachten.
Erst am
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