Historical Weihnachtsband 1991
einander die schmerzliche Vergangenheit anvertraut.
Würde nicht alles, was noch an Schwerem kommen mochte, gemeinsam leichter zu ertragen sein, in dem Bewußtsein, daß eines fernen Tages ihre Liebe Frucht tragen sollte.
Vor dem Frühstück hatte Beth ihrem Sohn verständlich gemacht, daß sie und Lieutenant-Colonel Ross einander liebten. Tims erste Frage war ebenso vernünftig wie quälend gewesen.
„Gut, aber wie geht es weiter? Bist du jetzt mit ihm verlobt, und werdet ihr nach dem Krieg heiraten oder schon früher?"
Wie geht es weiter? Darauf wußte Beth leider selbst keine Antwort. Dabei war Jerrod nicht der Mann, der Langzeitschwüren aus dem Weg ging. Das bewies seine unerschütterliche Fahnentreue. Warum also weigerte er sich, Beth wenigstens auch eine gewisse Verpflichtung einzugestehen? Sollte ihm dann doch etwas zustoßen, so wüßte sie, daß sie ihm nicht weniger bedeutet hätte als die gerechte Sache. Trotz seines Todes hatte William McGowan seiner Witwe die Sicherheit hinterlassen, daß er sie und Tim über alles geliebt hatte. Darüber war Beth heute noch glücklich, und diese Erinnerung bewahrte sie als etwas unsagbar
Kostbares in ihrem Herzen.
Schon auf der Schwelle, drehte sich Jerroa Ross noch einmal um. Hatte er Beths Gedanken gelesen?
„Weißt du, Liebste", sagte er, „mein Vater hatte meine Mutter kaum eine Woche gekannt, als er die Bitte aussprach, ihn zu heiraten. Bei dir und mir wird der Weg etwas länger sein, bevor wir eine endgültige Entscheidung fallen. Das ist alles."
Beth nickte. Dabei klopfte ihr Herz so stürmisch, daß sie befürchtete, er müßte es hören. Wenigstens hatte er als erster davon gesprochen. Aber welche Entscheidung meinte er? Eine Verlobung oder ein Eheversprechen? Hatte Jerrod sich etwa wie Beth Gedanken über die Zukunft gemacht und nur gezögert, seine Hoffnungen und Befürchtungen in Worte zu kleiden? Sie waren gleichzeitig zu einem Liebesgeständnis bereit gewesen. Wollte er ihr vielleicht die Möglichkeit geben, den nächsten Schritt von sich aus zu tun? Sie zögerte, mochte nicht aufdringlich oder ungeduldig erscheinen. Außerdem waren sie nicht immer einer Meinung, warum also hier?
„Ich glaube, daß du die Erinnerung an die Zeit mit deiner Familie immer noch im Herzen trägst, auch wenn du deine Familie verloren hast", meinte Beth vorsichtig.
„Ja", gab er zu. „Es war sehr schmerzlich, von ihnen verstoßen zu werden, ist es noch jetzt, dennoch liebe ich sie sehr und denke oft an die Vergangenheit mit ihnen."
„Die Vergangenheit, gut, aber wie steht es mit der Zukunft? Natürlich erinnere ich mich gern an Weihnachtsfeste, die hinter mir liegen, doch wünsche ich mir noch viele ebenso glückliche für die Zukunft. So könnte es auch mit uns sein, wenn wir getrennt sind. Und wir könnten sogar diese Tage jetzt viel mehr genießen im Bewußtsein, einmal eine Familie zu werden."
Seine Miene wurde düster. Er hätte nichts mehr sagen müssen, um Beths Hoffnungen zunichte zu machen.
„Du weißt so gut wie ich, warum das nicht geht. Ich weigere mich, dich vielleicht mit einem zweiten Kind zurückzulassen, um das du dich sorgen müßtest. In Kriegszeiten liegt die Zukunft immer hinter einem grauen Schleier verborgen. Außerdem kann ich nicht an derlei denken, wenn ich eine Pflicht zu erfüllen habe. Wir wollen später noch einmal darauf zurückkommen." Damit drückte er ihr einen Kuß auf die Wange und war draußen.
Beth hatte behutsam vorgehen wollen und sich innerlich auf eine ablehnende Haltung des geliebten Mannes vorbereitet. Dennoch blickte sie ihm nun fassungslos nach. Natürlich war Jerrod zutiefst verletzt durch die Herzlosigkeit seiner Mutter ihm gegenüber. Ob er deshalb nie weitergehen könnte als bis zu einem Liebesgeständnis und vagen Hinweisen für eine nebelhafte ferne Zeit? Immerhin war er achtundzwanzig und überaus hübsch. Es mußte doch andere Frauen in seinem Leben gegeben haben, die sich von ihm angezogen gefühlt hatten, zu denen er eine Beziehung unterhalten und die er danach verlassen haben mochte, so daß nichts ihnen blieb als die Erinnerung an die kurze gemeinsame Zeit. Beth McGowan dagegen war keineswegs gesonnen, sich so etwas von dem Mann gefallen zu lassen, den sie liebte. Es wäre einer Niederlage gleichgekommen, die sie nicht einmal von einem gehaßten Feind sich hätte zufügen lassen.
Sie lief hinaus in den Schnee, wo sich Jerrod eben in den Sattel schwang.
„Nie hätte ich gedacht, daß du so feige
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