Historical Weihnachtsband 1991
aber erst solltest du dich ein wenig stärken", ermunterte Jerrod sie.
Beth schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts essen, ich bin überhaupt nicht hungrig."
„Du vielleicht nicht, aber ich bin halb verhungert", hörten sie da plötzlich eine vertraute Stimme.
Sie hielten den Atem an. Jerrod stieß den Stuhl so heftig zurück, daß er beinahe umgekippt wäre. Sie starrten Tim an, der sich behaglich in die Kissen drückte. Er hatte die Augen offen, sein Blick war klar und hing an den beiden Menschen vor ihm.
„Und falls es noch immer Weihnachtsabend ist, möchte ich auch Sheba hier haben, wie du mir versprochen hast, Mutter. Oh", unterbrach er sich mitten im Satz, stützte sich auf den Ellbogen, rieb sich mit einer Faust die Augen. „Es scheint mir, daß es schon hell wird. Ist das etwa schon der Weihnachtstag?" „Genau das, Tim", rief Jerrod überglücklich, „genau das. Und ich hole dir auch gleich Sheba, während deine Mutter dir etwas zu essen gibt." Damit stürmte Jerrod hinaus, hinüber in die Scheune. Beth schloß ihren Sohn heftig in die Arme, unsagbar erleichtert und schluchzend.
„Aber, aber, Mutter, wein doch nicht schon, bevor du überhaupt das Geschenk gesehen hast, das ich für dich und natürlich auch für Lieutenant-Colonel Ross gemacht habe." Er setzte sich auf und schaute sich verwundert um. „Aber warum liegt eigentlich die gestickte Bettdecke auf dem Tisch?"
„Erinnerst du dich denn nicht, wie du . . . verletzt wurdest?"
Er schüttelte den Kopf, faßte nur vorsichtig nach der Beule am Kopf, strich über das abgeschürfte Kinn. „Warte, da gab es ein Mordsgeschrei, und ich bin heruntergerannt, um dir beizustehen. Ich hatte oben geschnitzt. . . Aber vielleicht habe ich auch nur schlecht geträumt, daß die verdammten Rotröcke wiederkämen.
Jetzt haben wir jedenfalls Weihnachten, und ich muß mein Geschenk für dich holen." Er schob Decke und Weihnachtskissen zurück und wollte aufstehen. „Es ist fast fertig, und ich kann es morgen noch zu Ende bringen, auch wenn du es schon gesehen hast."
„Nicht so hastig, junger Mann", widersprach Beth und drückte Tim sanft auf den Strohsack zurück. „Ich werde hinaufgehen und dein Geschenk holen. Aber zuerst möchte ich dir danken. Sie haben dich niedergeschlagen, weil du mich und die Farm verteidigt hast."
Die Tür schlug auf. Ein Schwall eiskalter Luft wirbelte Flocken herein, und Jerrod zerrte die widerstrebende Sheba hinter sich her, die laut und sichtlich ungehalten
„mäh, mäh" schrie.
„Ein Mann schlägt sich nun einmal für Hab und Gut und die Menschen, die er liebt, nicht wahr, Tim?" Jerrod nickte dem Jungen bedeutungsvoll zu, der nun doch auf den Knien lag und sein Schaf herzte und küßte. „Übrigens werde ich das Geschenk für deine Mutter holen, wenn du mir verrätst, wo ich es finden kann."
Tim flüsterte Jerrod etwas ins Ohr und preßte die widerspenstige Sheba innig an sich. Beth war überglücklich, ihren Sohn so munter zu finden, und füllte seinen und Jerrods Teller.
Jerrod kam die Treppe herunter, ein ziemlich großes Etwas, in Sackleinen gewickelt, auf den Armen.
„Ich habe nächtelang daran gearbeitet", erzählte Tim stolz, „und gut aufgepaßt, daß ich mit der Kerze nichts anzündete. Und nun bin ich nur noch nicht ganz mit Lieutenant-Colonel Ross' Gesicht fertig." Damit nahm er das Ding entgegen und entfernte behutsam die Hülle. Mit strahlenden Augen legte er sein Weihnachtsgeschenk in die Hände seiner gerührten Mutter.
★
Und vor ihrer aller Augen begab sich das dritte Wunder dieses denkwürdigen Weihnachtstages. Das erste war die endgültige Entscheidung für eine gemeinsame Zukunft gewesen. Das zweite, daß Tim ihnen gesund und heil wiedergegeben war.
Und nun kam noch dies.
Drei Holzfiguren waren aus einem Stück geschnitzt. In der Mitte sahen sie eine gelungene Wiedergabe Elizabeth McGowans, die alte Flinte kriegerisch im Arm. Tim, viel größer als in Wirklichkeit, hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt und ein Messer, das lang und breit wie ein Schwert war, in der Hand, als wollte er Beth damit beschützen und verteidigen. Auf der anderen Seite hielt ein naturgetreu getroffener Jerrod Ross die Frau umschlungen. Dabei hatte er etwas hochgehoben, das wohl die neue amerikanische Fahne darstellen sollte, das Sternenbanner mit den Streifen.
Beth schluchzte vor Bewunderung. Sheba stieß störrisch gegen Tims Knie. Und Tim lehnte sich an Jerrod. Beinahe bildeten sie zu dritt die gleiche
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