Historical Weihnachtsband 1992
ihnen zu sehen. Bestimmt war ihre Mutter nach all der Aufregung müde und sehnte sich nach Ruhe.
Peter und Cornelia verließen den Platz, wo die Tische aufgestellt worden waren, und gingen um den Teich herum. "Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Es hat mir gut gefallen", sagte Cornelia ruhig.
Ihre Höflichkeit amüsierte Peter und ärgerte ihn gleichzeitig. Die Stunden waren viel zu schnell verflogen. Cornelia war ihm ständig ausgewichen. Während sie einen Augenblick wie alte Freunde miteinander lachten, spürte er im nächsten, daß sie ihm entglitt wie eine Traumgestalt.
Die Erinnerung an das wunderbare Gefühl, als er sie in den Armen gehalten hatte, wurde plötzlich so lebendig, daß er Vernunft und Anstand vergaß. Zu seinen Gunsten sprach, daß er zögerte, wenn auch nur einen flüchtigen Moment.
Im Schutz einer hohen Tanne zog er Cornelia so unvermittelt an sich, daß sie zu überrascht war, um auch nur zu protestieren. Etwas Derartiges war ihr nie zuvor geschehen. Keiner der Männer ihrer Bekanntschaft hätte das gewagt.
Nur Peter Lowell lebte nach seinen eigenen Regeln und nicht nach denen, die andere aufgestellt hatten.
Er legte einen Arm um sie und hob mit der freien Hand ihr Kinn. Cornelia kam nicht mehr dazu, einen Laut der Empörung auszustoßen.
Sie erschauerte bei seinem ersten Kuß. Zärtlich, keineswegs grob berührten seine Lippen ihre. Dennoch spürte sie den Druck seiner Hand auf ihrer Schulter, die nur mühsam zurückgehaltene Leidenschaft. Cornelia hatte das Gefühl, eine ganz neue, faszinierende Welt kennenzulernen.
Natürlich war sie auch schon früher geküßt worden, zuletzt von Davey Connors im Garten hinter dem Haus seiner Mutter
in der Forty-Ninth Street. Im Gegensatz zu anderen jungen Frauen, die ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet nicht als erfreulich bezeichnet hatten, hatte sie jenen Kuß als angenehm empfunden. Diesmal aber war es viel mehr. Sie spürte ein immer stärker werdendes Sehnen, das sie innerlich fast verzehrte.
Peter stöhnte rauh und zog sie noch enger an sich. Seine Küsse wurden leidenschaftlicher, fordernder. Cornelia spürte seinen harten männlichen Körper an ihrem. Welche Kraft und Stärke strahlte er aus. Als Peter seine Zunge erregt in ihren Mund schob, atmete sie schneller. Vergessen war jeder Gedanke an Widerstand.
Wer war diese Frau, die so gar nicht dem sonst so vernünftigen Wesen glich? Dieses hemmungslose Geschöpf, das einem Mann, den sie eigentlich verabscheuen sollte, solche Freiheiten gestattete? Luciana Montrachet hätte es gewußt. Sie könnte sie sogar erfunden haben.
Doch was in einem Roman erlaubt war, durfte unmöglich in einem öffentlichen Park geschehen, wo jedermann sie sehen konnte, ja sehen würde, wenn sie nicht voneinander abließen.
In diesem Moment löste sich Peter von ihr und hob den Kopf. Seine grünen Augen blitzten gefährlich, als er in ihr erhitztes Gesicht schaute.
„Sie sind wirklich eine Überraschung", stellte er heiser fest.
Cornelia schwieg verlegen. Da es ihr unter diesen Umständen nicht mehr auf besondere Schicklichkeit ankam, raffte sie die Röcke und ging hastig davon. Sie rannte nicht, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Endlich sah sie die Mietkutsche ihrer Familie.
„Da bist du ja endlich", rief Ted, sobald er sie erblickte. Er stieg aus und bot ihr hilfreich seine Hand, die sie dankbar ergriff. „Wir fingen schon an, uns Sorgen zu machen."
„Ich hatte Schwierigkeiten, den Rückweg durch die Menge zu finden", antwortete Cornelia und hoffte, sie würden ihre Atemlosigkeit auf ihre Anstrengungen schieben.
Zweifelnd blickte Jed drein, als sie in die Kutsche stieg, äußerte jedoch nichts. Auf dem gepolsterten Platz neben ihm saß ihre Mutter und schlief. Um sie nicht zu stören, legten die drei Geschwister die Heimfahrt schweigend zurück.
Kurze Zeit später fiel Cornelia geradezu ins Bett. Sie hoffte, daß sie schnell einschlafen würde. Doch obwohl sie körperlich und seelisch erschöpft war, warf sie sich stundenlang von einer Seite auf die andere. Erst kurz vor Anbruch der Morgendämmerung glitt sie in einen unruhigen Schlummer. In ihren Träumen wurde sie von einem schwarzhaarigen Mann verfolgt. Sobald er sie eingeholt hatte, griff er lachend nach ihr und schob sie zwischen die Seiten eines ihrer Bücher.
Die hereinscheinende Sonne weckte sie Stunden später. Wie betäubt und mit schmerzendem Kopf, richtete sie sich auf. Eines stand für sie fest. Sie würde Peter
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