Historical Weihnachtsband 1993
herangereicht. Friedlich hob und senkte sich ihr Busen in unschuldiger Ahnungslosigkeit.
Bevor der Schmerz Matt unterwegs überwältigt hatte, war es ihm schon klar gewesen, daß er sich in der Nähe von Bitter Creek befand. Doch nach der Schießerei, dem Durcheinander, seinem Entkommen und dem Bemühen zu überleben war ihm das entfallen. Er holte vorsichtig Luft und kämpfte gegen die Schmerzen an, in denen er zu versinken drohte. Nun war es auch verständlich, daß er sich in Gedanken mit seinem Daheim, mit seiner Kindheit beschäftigt hatte. Laura Conners hatte einen ganz besonderen Teil seiner Jugend an der Schwelle zum Manne bedeutet. Und während all dieser Jahre gehörte ihr, die ihn ausgeschlagen hatte, ein ebenso besonderer Platz in Matts Herzen.
Sein Blick fiel auf den Krug, der auf einem Nachttisch stand. Die Kehle war ausgedörrt vom Fieber und brannte. Trotzdem war es ihm nicht möglich, auch nur einen Ton herauszubringen, so groß das Verlangen nach Wasser auch sein mochte.
So wandte Matt seine Aufmerksamkeit von neuem der Schlafenden im Schaukelstuhl zu, als könnte das lebendige Bild verschwinden, sobald er nur die Augen schloß. Aber alle Anstrengung half nichts. Matt konnte die Lider nicht länger offenhalten, sie fielen wieder zu.
Durch eine dünne Stelle im Vorhang drang das fahle Licht der Wintersonne. Laura erwachte, streckte erst ein Bein aus, dann das andere, und dabei glitt das Federbett auf den Boden. Sie stieß einen leisen Laut des Unwillens aus und bückte sich, um es aufzuheben. Mitten in der Bewegung hielt Laura inne, als sie bemerkte, daß Matthew Braden nicht mehr schlief, sondern sie unverwandt anschaute. Vergessen war die Decke.
„Wie, wie fühlst du dich?" Ohne seine Antwort abzuwarten, legte Laura ihre Hand auf seine Stirn. Das erwies sich als erster Fehler. Sobald die Finger nämlich seine Haut berührten, zog Laura die Rechte so heftig zurück, als hätte sie sich verbrannt.
Matt bemerkte es, ein schwaches Lächeln überzog sein Gesicht. „Ich habe . . . ich habe mich schon besser gefühlt." Er schluckte, mußte zweimal ansetzen, denn jedes Wort verursachte neue Schmerzen. Trotzdem zwang er sich dazu weiterzusprechen.
„Immerhin lebe ich noch, das verdanke ich dir."
„Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt." Ungeschickt griff Laura nach dem Deckbett, doch bevor sie es um die Schultern legen konnte, um sich zu verhüllen, flüsterte Matthew heiser: „Könnte ich ein bißchen Wasser haben?"
„Selbstverständlich." Sie füllte den Schöpflöffel und kniete neben dem Bett nieder.
Sanft hob sie Matthews Kopf ein wenig hoch
und führte die Kelle an seine Lippen. Damit machte sie allerdings den zweiten Fehler. Wie konnte sie vergessen, daß es sie jedesmal wie ein Schlag getroffen hatte, wenn sie diesem Mann nahegekommen war. Auch jetzt zitterte ihre Hand so, daß ein wenig Wasser verschüttet wurde. „Es tut mir leid."
Bei diesen fast unhörbar geflüsterten Worten nahm Matt Lauras Hand in die seine und hielt damit den Schöpflöffel ruhig. Obwohl auch das den Schmerz steigerte, war es die Anstrengung doch wert. So konnte er sie wenigstens berühren.
Laura empfand mit jeder Faser ihres Herzens diese kräftige Hand, die ihre Finger umschloß. Und wenn sie das auch unsicher machte, so hätte sie dennoch nicht leugnen können, wie aufregend es zugleich war. Als Matthew getrunken hatte, bettete sie seinen Kopf wieder auf das Kissen und trat so schnell wie nur irgend möglich vom Bett weg. Sie mußte sich ablenken, ging geschäftig daran, die Decken glattzustreichen und die Vorhänge aufzuziehen. Als sie zu sprechen begann, betete Laura im stillen, die Stimme möge nicht verraten, wie aufgewühlt sie im Innersten war. „Ich könnte dir ein Ei kochen, wenn du etwas essen möchtest."
Als er nicht antwortete, drehte sie sich um. Die Anstrengung, bloß zu reden, die Hand zu heben, schien ihn erschöpft zu haben. Er hatte bereits wieder das Bewußtsein verloren.
Matt Braden lag ganz still und versuchte, all die ungewohnten Gerüche und Geräusche einzuordnen, die ihn umgaben, als er zu sich kam. Wie lange mochte es her sein, seitdem er in einem bequemen Bett geschlafen hatte, während der Duft von Gewürzen und Äpfeln im Räume hing, der einem den Mund wäßrig machte?
Natürlich, dies war ein Bauernhaus, Lauras Haus.
Aus dem Stall drang das Schnauben der Pferde und das Muhen der Kühe zu ihm herein. In der Nähe gluckten Hühner. Im Nebenzimmer hörte er Laura
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