Historical Weihnachtsband 1993
gekocht.
Magst du welche?"
Beinahe hätte Matthew lachen müssen. Ahnte Laura überhaupt, wie ähnlich sie ihrem Vater war? Der Alte war zäh wie Büffelleder gewesen und wohl niemals auch nur einen Schritt von dem Wege abgewichen, den er sich vorgenommen hatte. Und für alles und jedes war ihm ein Bibelwort eingefallen, ob es nun um die Erziehung der Tochter ging oder um den Versuch, die Welt zu verbessern.
„Es braucht viel Kraft, eine Farm zu führen. Mein Vater hat es nicht fertiggebracht, obwohl er uns vier hatte, ihm zu helfen."
„Vater meinte immer, das wäre bloß so, weil ihr stets nur daran dachtet, Staub aufzu ..." Laura spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, stockte, schöpfte Suppe in einen Teller und stellte ihn vor Matthew auf den Tisch.
„Wir haben wohl ein bißchen zuviel Staub aufgewirbelt, mehr, als den Leuten in Bitter Creek paßte, nicht wahr?"
Sie lächelte bei diesem freundlichen Seitenhieb und ermunterte Matthew, von der Brühe zu kosten.
„Ich merke schon, du hast dich nicht geändert. Du kochst immer noch gern und gut."
„Vater hat mich oft wegen meiner Kochkunst gelobt. Nach Mutters Tod wollte ich ihm mit gutem Essen den schweren Verlust ein wenig erleichtern."
Matthew wies auf den leeren Stuhl. „Ißt du nicht mit?"
Laura schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich ihrem Gast gegenüber. Als sie ihn anschaute, fühlte sie, daß sie schon wieder errötete. Dabei konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Wie gut er aussah! Immerhin war Laura nicht gerade daran gewöhnt, dergleichen vis-à-vis am Tisch zu sehen. Deshalb senkte sie nun doch den Blick und schaute angestrengt in die Tasse.
„Erzähl mir mehr von Bitter Creek." Er bemerkte, daß ein Mehlstäubchen auf ihrer Nasenspitze saß und es ihn drängte, es wegzuküssen. Schnell sagte er: „Wer ist denn jetzt Bürgermeister?"
„Ned Harrison."
„Der gute alte Ned." Matthew lehnte sich mit einem Lächeln zurück. „Hat er immer noch seinen Krämerladen?"
Laura erwiderte das Lächeln. „Hat er, und er streitet auch wie früher mit der alten Mrs. Smithers und feilscht um den Preis für jedes Stück Stoff und jede Zwirnspule."
„Das wird wohl auch so bleiben mit den beiden, bis sie im Grabe liegen." Er veränderte die Haltung, versuchte damit dem Schmerz in der Brust beizukommen.
„Schenkt der gute alte Ned auch jetzt noch den Jungen, die ihm den Laden ausfegen, ein paar Bonbons?"
Lauras Lächeln vertiefte sich. „Warst du deshalb stets darauf aus, ihm zur Hand zu gehen?"
„Du hast doch nicht etwa geglaubt, ich täte es aus Herzensgüte?" „Ich habe nur gewußt, daß Ned dich gern mochte." Matthew Bradens Blick schien in weite Ferne zu gehen. „Er war
gerecht zu mir, hat mich nie dafür verantwortlich gemacht, was meine Brüder an Argem verübten, im Gegensatz zu den meisten Leuten in Bitter Creek." Rasch wechselte er das Thema. „Und Reverend Talbot? Reitet er wie damals jeden Sonntagnachmittag zur alten Witwe Conklin hinaus, um ihr aus der Bibel vorzulesen?"
Lauras Augen schimmerten feucht. „Die Arme ist nun fast blind, aber sie kocht sonntags nach wie vor für ihn, und er liest ihr vor." Sie schaute auf ihre Hände nieder und setzte leise hinzu: „Ich glaube, in Bitter Creek wird sich nie sehr viel ändern."
„Da hast du wohl recht."
Der Hufschlag eines Pferdes ließ sie beide auffahren. Bevor Laura zur Tür gehen konnte, war Matthew um den Tisch herumgekommen und drückte sie an die Wand, wie um Laura mit dem eigenen Körper zu schützen.
Sie spürte die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, bemerkte den scharfen Jodgeruch des Verbandes, der sich mit seinem männlichen Duft vermischte. Nie hätte sie gedacht, daß sich ein verletzter Mann so schnell bewegen könnte. Doch der Schmerz, den es ihn kostete, zeichnete sich deutlich auf seinem Gesicht ab. Dicke Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, und er kniff die Augen zusammen, so angestrengt horchte er nach draußen.
„Wer kann das sein?"
„Wahrscheinlich der alte Judd. Er arbeitet drüben bei Ridgely. Am Sonnabend, wenn er morgens hier vorbeireitet, hält er oft an, um mich zu fragen, ob ich etwas aus dem Städtchen brauche."
„Wird er hereinkommen wollen?"
Laura schüttelte den Kopf. „Kaum. Ich gebe ihm die Liste, und er macht sich gleich wieder auf den Weg."
Matthew fühlte, wie ihn die Kräfte verließen. Würden sie beide in Gefahr geraten, so bezweifelte er, daß er Laura würde retten können. Aber eines
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