Historical Weihnachtsband 1993
übergeben."
„Glaube mir, Laura", meinte er dazu, „wenn eine Bank ausgeraubt wird, bin ich ohnehin der erste, den der Richter suchen läßt. Hast du es denn noch nicht gehört?
Alle Untaten hier in der Gegend werden nur von den Braden-Brüdern verübt."
„Mein Vater sagt, der gute Rufeines Mannes sei sein kostbarster Besitz."
„Dann nehme ich an, daß du jetzt weißt, wie viel ich wert bin."
„Du bist mir sehr viel wert, Matthew, sehr, sehr viel."
Er faßte nach einer Strähne ihres Haares und wand sie sich um die Finger. Er war plötzlich sehr ernst geworden und ungewöhnlich nachdenklich.
„Ich könnte für dich durchs Feuer gehen, Laura, ja, das könnte ich."
„Du sollst aber gar nicht durchs Feuer gehen, Matthew, sondern nur den schmalen Weg der Tugend ..."
Nach dem Tode der Mutter war es wieder Matthew, der genau die richtigen Worte fand, um Lauras Gram zu lindern. Er hatte früh die eigene Mutter verloren und verstand Lauras Schmerz. So erkannte sie jene behutsame Seite in Matthews Wesen, die er sonst vor allen verbarg. Hinter der Maske des Draufgängers steckte ein verständnisvoller und einfühlsamer Mensch, der sich gern Zeit nahm, Laura zuzuhören, wenn sie über den Verlust sprechen wollte, der sie betroffen hatte. Ihren Tränen setzte er seine stille innere Kraft entgegen.
Der Vater schien mehr und mehr zu erwarten, daß Laura den Platz der Verstorbenen ausfüllte. Bisher war das Mädchen schon eine gute Köchin gewesen, von nun an übernahm sie wortlos auch die anderen Pflichten der Mutter, nähte und flickte und begleitete den Vater sonntags ins Städtchen zur Kirche. Danach ging sie, wie er es erwartete, in den Krämerladen und unterhielt sich mit den älteren Frauen über Gartenarbeit und Kochen. Obwohl sie nun die ganze Last einer Erwachsenen zu tragen hatte, untersagte der Vater Laura jedes Wort über einen Bewerber, meinte, daß dafür später noch Zeit wäre. Vor allem Matthew Braden kam natürlich nicht in Frage. Er und seine Brüder hatten inzwischen begonnen, Revolver in einem Halfter zu tragen, was den Unwillen der Bürger erregte. Es wurde viel geredet und gemunkelt, daß die Braden-Brüder Unruhestifter seien, nicht nur in Bitter Creek, sondern auch in anderen Städten der Umgebung, und ernsthaft in Schwierigkeiten steckten. So galt es in Vater Conners' Haus als verboten, Matthews Namen auch nur zu nennen . . .
Laura lag ganz ruhig und horchte in die Stille. Ein Blick zum Fenster belehrte sie, daß der Morgen noch nicht dämmerte. Wieder einmal hatte sie geträumt, den gleichen Traum, der sie seit Jahren verfolgte.
... Es geschah im Sommer ihres sechzehnten Lebensjahres an einem drückend schwülen Tag. Der Vater ritt ins Hügelland, um
einige Rinder zurückzuholen, die sich von der Herde entfernt hatten. Laura war mit ihrer häuslichen Arbeit fertig und saß auf der Veranda, um sich ein wenig Luft zuzufächeln. Selbst das half nichts, so mitleidslos lastete die Hitze über der Erde.
Laura hielt deshalb die langen Haare vom Nacken ab und dachte über den kleinen Wasserlauf nach, den der Vater aufgestaut hatte, um das Vieh zu tränken. Später sah Laura nach dem Eintopf, der auf dem Herd schmorte, und den frischgebackenen Brötchen, die sie mit einem Leinen tuch bedeckte. Dann verriegelte sie die Haustür und lief zu dem Flüßchen.
Die ein oder zwei Stunden, die ihr zur freien Verfügung blieben, bevor der Vater von den Hügeln zurückkehren würde, wollte Laura nutzen. Rasch schlüpfte sie aus den Kleidern und der Wäsche, seifte sie gehörig ein, wusch sie dann und wand sie aus, bevor sie sie zum Trocknen auf einigen tiefhängenden Zweigen ausgebreitete.
Darauf nahm Laura selbst ein Bad. Sie saß im seichten Wasser und rieb die Seife sorgfältig und langsam den Körper auf und ab. Endlich, über und über mit Schaum bedeckt, watete sie tiefer in das kühle Wasser hinein.
Es fühlte sich herrlich an auf der erhitzten Haut. Laura tauchte einmal ganz unter und kam prustend wieder hoch, bevor sie damit begann, sich die Haare zu waschen.
Sie rieb kräftig den Kopf, bis es prickelte, warf den Seifenrest auf den Uferrand, duckte sich wieder unter die Wasseroberfläche, bis aller Schaum abgespült war und mit den Wellen davonschwamm. Lachend schüttelte sie den Kopf, so daß die Locken sich wie ein Fächer um sie herum ausbreiteten und die Tropfen unter der Sonne in allen Regenbogenfarben aufblitzten.
In diesem Augenblick bemerkte sie Matthew Braden. Mit brennenden
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