Historical Weihnachtsband 1993
ahnte, wie gewaltig sie sein mußte. „Ich muß nun gehen, Matthew."
„Ich weiß. Aber es tut mir nicht leid, daß ich dich geküßt habe."
„Mir auch nicht. Aber dreh dich um, bis ich wieder angezogen bin."
Er lachte. „Ich habe dich doch schon gesehen."
„Das macht nichts. Ich will trotzdem, daß du dich umdrehst."
„Na gut."
Laura wandte sich ab und glaubte, das Herz müsse ihr stillstehen. Vom Ufer her beobachtete sie der Vater. Er saß im Sattel, die Augen dunkel vor Zorn.
„Zieh dich an, Mädchen!" Die Stimme klang hart und schneidend. Laura wußte, daß er alle Willenskraft aufbieten mußte, nicht laut zu schreien. „Und sieh zu, daß du nach Hause kommst!"
„Vater, es ist nicht so, wie du .. ." Sie preßte die Lippen zusammen und setzte dann von neuem zum Sprechen an. „Wir haben nicht..."
„Kein Wort mehr, Mädchen! Tu, was ich dir gesagt habe!"
Zu Tode erschrocken, watete Laura aufs Trockene und streifte hastig die feuchten Kleider über. Als sie fertig war und sich anschickte, dem Vater zu folgen, hörte sie Matthew leise und gleichmütig sprechen. Es klang keineswegs nach einem Mann, der gerade dabei ertappt worden war, etwas Verbotenes zu tun, sondern nach einem, der ganz genau wußte, was er wollte.
„Ich möchte mit Ihnen reden, Mr. Conners, ob Sie mir gestatten, um Ihre Tochter zu werben ..."
Als Laura zögerte, wies sie der Vater mit ausgestrecktem Finger an, endlich zu gehen. „Fort jetzt, das ist Männersache, Laura."
Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen und rannte wie gejagt den ganzen Weg zu dem Haus zurück.
Nach seiner Heimkehr verbot ihr der Vater, Matthew Bradens Namen jemals auch bloß wieder zu nennen .. .
5. KAPITEL
Matthew Braden erwachte, weil der Sonnenschein durch einen Spalt in den Fenstervorhängen ins Zimmer fiel. Im Kamin prasselte ein wärmendes Feuer, und aus der Küche zog der Duft von Kaffee und frisch gebackenem Brot herein. Langsam setzte sich Matthew auf, wollte erproben, wie weit seine Kräfte reichten. Zwar fühlte er sich noch geschwächt, und in der Schulter pochte der Schmerz, aber es brannte nicht mehr wie Feuer, wo die Kugel herausgeschnitten worden war, und das Fieber war zurückgegangen. Er erspähte eine Schüssel mit Wasser, ging steif zu der Waschkommode und warf einen Blick in den Spiegel. Matthew Braden glich eher einem Grizzlybären als einem Menschen. Er fluchte und griff nach dem Rasiermesser. Nachdem er den Bart entfernt hatte, wusch er sich und betrachtete sich noch einmal prüfend. Mit dem, was er sah, zufrieden, nahm er das saubere Leinenhandtuch und trocknete sich ab. Als er sich umdrehte, blieb er wie angewurzelt stehen. Laura war auf die Schwelle getreten.
Als Laura Matthew erblickt hatte, als er mit dem alten Rasiermesser des Vaters hantierte, war ihre Reaktion eine höchst sonderbare gewesen. Obwohl sie es nicht verstand, konnte sie sich nicht rühren und abwenden.
„Du siehst so .. ." Sie war zu schüchtern, das Wort „gut" auszusprechen, das sich ihr auf die Lippen drängte, und fuhr deswegen halbherzig fort: „. . . doch viel besser aus.
Es muß dir heute schon recht gut gehen."
„Wenigstens komme ich mir nicht mehr vor, als wäre eine ganze Büffelherde über mich weggetrampelt", sagte er und lächelte spitzbübisch, „sondern bloß eine halbe."
Sie mußte wegen seines Galgenhumors laut lachen. „Ich dachte, du möchtest vielleicht eines von Vaters alten Hemden anziehen."
Laura fühlte, wie ihr das Blut noch heißer in die Wangen stieg, die ohnehin schon brannten. „Nur . .. damit ich das deine waschen und ausbessern kann."
„Danke." Er durchquerte das Zimmer und nahm ihr das Hemd aus der Hand. Wieder konnte sie den Blick nicht von seinen breiten Schultern abwenden. „Es paßt", stellte er fest und schob es in den Gürtel der Hose, ohne daß Laura so schnell hätte wegschauen können. Sie errötete noch heftiger, zwang sich aber trotzdem dazu, ihm ins Gesicht zu sehen. Ohne die Bartstoppeln wirkte er zwar weniger verwildert, aber für sie war er dadurch kein bißchen weniger bedrohlich.
Er setzte sich auf die Bettkante und zuckte vor Schmerz zusammen, als er erst den einen, dann den anderen Stiefel anzog. Die Anstrengung war offensichtlich. Laura bemerkte die Tropfen, die in seinem dunklen Haar glitzerten, und mußte den fast unwiderstehlichen Drang unterdrücken, Matthew zu berühren. Wie wäre es wohl, mit den Fingern durch die feuchte Mähne zu streichen, seine jetzt glatte Wange zu
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