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Historical Weihnachtsband 1993

Historical Weihnachtsband 1993

Titel: Historical Weihnachtsband 1993 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PATRICIA POTTER , Nora Roberts , RUTH LANGAN
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die starke Zuneigung, die kaum mehr eingedämmte Leidenschaft, alles, was sie beide so lang gequält hatte. Natürlich blieben immer noch Fragen, blieb zögernde Scheu, selbst eine Art Argwohn, aber nach und nach ging alles unter in der Freude, der warmen Nähe ihrer Körper.
    Insgeheim verwünschte Rafe den Strick, der ihn davon abhielt, Blythe so in die Arme zu nehmen, wie er es sich wünschte. Dennoch wollte er diesen trauten Augenblick nicht gefährden, indem er etwas von ihr verlangte, das die Barriere zwischen ihnen von neuem aufrichten könnte, die sie eben erst so zögernd niedergerissen hatten. Er fühlte durch ihren dünnen Mantel, wie schmal sie geworden war, und empfand ein unbändiges Schuldbewußtsein. Er war nicht bei ihr gewesen, als ihr Vater starb, nicht, wann auch immer sie einen Menschen gebraucht hätte. Selbst jetzt hatte sie Beistand so nötig. Rafe sah sich flüchtig in dem Keller um, in dem fast gähnende Leere herrschte, nahm die armseligen, kaum noch nennenswerten Vorratsreste zur Kenntnis. Was auch immer Blythe mühsam horten konnte, steckte sie wahrscheinlich den Kindern zu.
    „Erzähl mir von den Waisen", bat er. „Wie viele leben bei dir?" Als er die armseligen Bündel unter dünnen Decken hatte zittern sehen, war ihm nicht zum Zählen zumute gewesen, und er hatte sie nicht noch mehr verstören wollen, als dies bereits der Fall war.
    Jetzt sind es ihrer zehn." Blythes Stimme klang in Rafes Ohren wie Musik. „Aber bald werden es elf sein. Eines der Mädchen erwartet ein Kleines. Sie ist von einem Unionssoldaten vergewaltigt worden und wird in der allernächsten Zeit niederkommen."
    Blythe spürte, wie Rafe unter ihren Worten zusammenzuckte. „Es hätte ebensogut ein Südstaader sein können", fuhr Blythe mit solch trauriger Stimme fort, als läge die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern, und es traf Rafe durch Mark und Bein. „In diesem Krieg gibt es schon längst keine Menschlichkeit mehr."
    „Wie alt ist dieses Mädchen?"
    „Vierzehn. Sie ist diejenige, die aufgeschrien hat, als du in ihr Zimmer getreten bist.
    Sie erschrickt beim Anblick jeder Uniform zu Tode."
    „Es tut mir ja so leid, Blythe, so unsagbar leid, daß ich das Haus durchsuchen mußte."
    Sie legte den Kopf an seine Brust, lauschte dem stetigen Schlag seines Herzens, und sie vernahm wohl den reuevollen Unterton in seiner Stimme. Jetzt, in Rafes Armen geborgen, begann Blythe zu begreifen. Er hatte seine Pflicht erfüllt, nichts anderes, so wie es auch Seth getan hatte, als er den eigenen Bruder mit der Pistole bedrohte und ihn fesselte. Die Hamptons besaßen einen starken Ehrbegriff und ein ebensolches Pflichtbewußtsein. Vielleicht liebte sie deshalb die beiden Brüder so sehr? Bei dieser Erkenntnis überfiel sie etwas wie Todesangst, weil esja längst nicht vorüber und das grausame Spiel keineswegs zu Ende war.
    Gott im Himmel, was würde denn noch geschehen? Wie sollten sie alle heil aus diesem tragischen Konflikt zweier Brüder herauskommen? Blythe lehnte sich ein wenig zurück und schaute Rafe ins Gesicht. Darin las sie die gleiche tiefe Besorgnis.
    Doch dann spürte sie seine Lippen auf den ihren, wurde von einer Welle unendlicher Zärdichkeit mitgeschwemmt, von einer sanften Zärtlichkeit, die aus ihrer unbewußten Angst kam, den Menschen, die sie über alles in der Welt liebten, etwas anzutun, das nie wieder gutzumachen wäre. Und doch waren ihre Berührungen so voll von Sehnsüchten, daß Blythe sich wünschte, an dem schmerzlich süßen Verlangen zu sterben.
    Rafe hatte den breitkrempigen Offiziershut abgenommen, so daß ihm einige Haarlocken in die Stirn fielen. Liebevoll griff Blythe danach, wollte sie zurückstreichen. Aber Rafe preßte seine Lippen wieder auf die ihren, und sie spürte die kaum mehr gebändigten Empfindungen. Der Strick um Rafes Gelenke schnitt ihr in die Seele, wie entwürdigend mußte es erst für ihn als Offizier sein! Und doch gab es noch etwas, das viel schlimmer war, viel schmerzlicher für sie und ihn: die aufgestaute Sehnsucht der vergeudeten Jahre, der unerfüllten Träume, der einsamen Tage und Nächte, ihrer wunden Herzen und verlangenden Seelen. Die Leidenschaft, die sich nun so jäh zwischen ihnen entwickelt hatte, schlug lodernde Flammen.
    Blythe zitterte bis ins Mark unter Rafes Kuß, in dem jetzt eine Forderung war, die ihr bis ins Innerste drang und sie tief beglückte. Es war Weihnachten. Und Rafe schenkte ihr das Kostbarste auf der Welt, Liebe. Der Druck seiner

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