Historical Weihnachtsband 1993
Alanna zu. „Sobald Sie den Becher ausgetrunken haben, bekommen Sie das Frühstück, aber keinen Moment früher!" Mit wehenden Röcken kehrte sie an die Arbeit zurück.
Kaum hatte ihm Alanna den Rücken gekehrt, blickte sich Ian nach einem geeigneten Platz um, den gräßlich schmeckenden Trank auszugießen. Umsonst, es gab keine Möglichkeit dazu. Ian trug eine immer finsterere Miene zur Schau. Ohne sich umzudrehen, lächelte Alanna vor sich hin. Sie war nicht ohne Folgen in einer Männerwirtschaft großgeworden und wußte ganz genau, was jetzt in MacGregor vorgehen mochte. Er war dickköpfig. Sie knetete energisch den Teig und dachte: Ich bin es aber auch. Darauf begann sie, vor sich hin zu summen.
Ian war nun gar nicht mehr so sehr darauf aus, Alanna zu küssen. Viel lieber hätte er sie heftig geschüttelt. Statt dessen saß er da, hungrig wie ein Wolf, und der verlockende Duft frischen Brotes stieg ihm in die Nase. Dabei gab ihm dieses Weib nichts außer einem Becher voll scheußlich schmeckenden Gebräus.
Immer noch summend, legte Alanna den Teig zum Aufgehen in eine Schüssel und bedeckte ihn mit einem sauberen Tuch. Als wäre Ian nicht vorhanden, stocherte sie im Kamin, schob die heiße Asche beiseite und stellte fest, daß die Brotlaibe gut waren. So legte sie beide auf ein Regal zum Abkühlen, und der Duft erfüllte die Küche.
Ich habe auch meinen Stolz, dachte Ian. Aber was half der Stolz, wenn einem Mann der Magen knurrte? Dafür würde sie büßen, das schwor er sich. Dann hob er den Becher und leerte ihn.
Immer noch darauf bedacht, Ian den Rücken zuzuwenden, lächelte Alanna zufrieden. Wortlos erhitzte sie eine große Pfanne auf dem Feuer. Wenig später stellte sie ihm einen Zinnteller hin, gehäuft mit Rühreiern, und schnitt eine dicke Scheibe von dem frischen Brot ab. Dazu kamen noch Butter und ein Krug mit dampfendem Kräutertee. Während Ian aß, säuberte Alanna geschäftig die Pfanne und rieb den Tisch ab, daß auch nicht die geringste Spur von Teig haften blieb. Sie schätzte es sehr, am Morgen allein zu sein ohne den Vater und die Brüder, und liebte ihre Küche, liebte die damit verbundenen mannigfachen Handgriffe.
Außerdem störte Ians Anwesenheit Alanna nicht, auch wenn sie genau wußte, daß er sie aus den ruhigen grünblauen Augen unaufhörlich beobachtete. Es schien ihr sogar auf eine seltsame Weise vertraut, daß er da am Tische saß und eine Probe ihrer Kochkunst erhielt.
Dennoch ließ seine Gegenwart Alanna keineswegs kalt. Da war etwas, das ihr Herz spürbar hämmern ließ. Als sie es nicht länger ertragen konnte, wandte sie sich ihm wieder zu und stellte fest, daß er sie tatsächlich dauernd angeschaut hatte, keineswegs ungehalten, eher . . . interessiert. Es mochte ein ungenügender Ausdruck sein für das, was sie in seinen Augen lesen konnte, aber es war wenigstens ein unverfänglicher. Plötzlich hatte Alanna den Eindruck, sie brauchte etwas Unverfängliches, das ihr eine gewisse Sicherheit gab.
„Ein Gentleman würde wenigstens ,danke' sagen!"
Ian MacGregor schwieg, als wollte er ihr damit zu verstehen geben, daß er sich nur als solcher zu benehmen pflegte, wenn und wann er es für richtig ansah. Schließlich sagte er doch: „Ich danke Ihnen ehrlich, Mrs. Flynn, wirklich, und ich frage mich, ob ich Sie wohl noch um etwas von dem Kräutertee bitten dürfte."
Das klang verbindlich genug, dennoch mißtraute Alanna dem, was sie in seinen Augen las. So hielt sie sich bewußt außerhalb seiner Reichweite, während sie mit der Kanne nachschenkte. „Wahrscheinlich täte Ihnen echter schwarzer Tee besser", sagte sie, mehr zu sich selbst gewandt, „aber in diesem Hause trinkt man keinen."
„Wollten Sie damit Ihre Auflehnung gegen die englische Krone ausdrücken?"
„So ist es. Wir wollen auf den Tee verzichten, solange der König von England nicht zur Vernunft gekommen ist und die Zölle senkt. Übrigens bringen andere Menschen ihren Widerstand auf eine unsinnige und gefährliche Art zum Ausdruck."
Er schaute ihr nach, als sie wieder zum Kamin ging. „Und das wäre?"
Sie zuckte die Schultern, ohne sich umzudrehen, und machte sich an der Feuerstelle zu schaffen. „Es ist Johnny zu Ohren gekommen, daß die ,Söhne der Freiheit', wie sie sich nennen, es fertiggebracht haben sollen, kistenweise Tee ins Meer zu schütten, der auf drei Schiffen im Hafen von Boston gelagert war. Als Rothäute verkleidet, gingen die Männer an Bord, geradewegs ins Schußweite dreier
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