Historical Weihnachtsband 1993
überraschte ihn. „Ich werde es nicht zulassen, daß Sie ihm Flausen in den Kopf setzen von Glanz und Gloria des Krieges, von Schlachten und dergleichen."
„Er scheint mir doch alt genug zu sein, um selbst zu entscheiden, worüber er sich unterhalten möchte."
„Er ist noch ein halbes Kind, und es ist nur zu leicht, ihn für solchen Unsinn zu begeistern." Sie strich glättend über die Schürze. Der Ausdruck ihrer Augen blieb gleichmütig und verriet nichts von ihren Gedanken. „Wahrscheinlich kann ich Brian nicht davon abhalten, ins Dorf hinunter zu rennen, um auf dem Anger mit den anderen Burschen zu exerzieren. Aber im Hause will ich kein Wort über Krieg und Kampf hören."
„Bald wird es nicht mehr nur bei Worten bleiben, sehr bald schon", sagte Ian MacGregor sanft. „Und es wäre töricht für einen Mann - und eine Frau —, dann nicht dafür gerüstet zu sein. Jeder sollte sich bereits jetzt darauf vorbereiten."
Alanna erblaßte, zuckte aber mit keiner Wimper. „In diesem Hause wird dennoch nicht von Krieg gesprochen", wiederholte sie und strebte dann rasch hinaus.
3. KAPITEL
Am nächsten Morgen erwachte Ian MacGregor früh vom silberblassen Schein der Wintersonne und auch von dem angenehmen Duft frischgebackenen Brotes. Eine Weile blieb er ganz ruhig liegen und genoß die Geräusche und Gerüchte dieser Tageszeit. Das Feuer brannte schon hell und verbreitete wohlige Wärme. Aus der Küche vernahm er Alannas Stimme. Wieder sang sie ein Lied. Erst war er so sehr gefesselt von dem bloßen Klang, daß er dem Text keine Aufmerksamkeit schenkte.
Später erst machte Ian große Augen, anfangs vor Erstaunen, dann aber vor Belustigung.
Es war ein ziemlich anzügliches Liedchen, das eher zu einem Seemann oder einem Betrunkenen gepaßt hätte als zu einer ehrbaren jungen Witwe. Die reizende Alanna schien demnach einen Sinn für handfeste Späße zu haben. Das machte sie zwar nur noch liebenswerter für ihn, wenngleich er bezweifelte, daß ihr die Worte so leicht über die Lippen gekommen wären, hätte sie daran gedacht, daß er ihr zuhörte.
Vorsichtig, um jeden Laut zu vermeiden, versuchte Ian sich zu erheben. Es dauerte ziemlich lange, bis er aufrecht dastand, und er fühlte sich zugleich schwach, schwindelig und wütend. Er mußte sich mit einer Hand gegen die Wand stützen und ein wenig warten, weil er wie ein alter Mann schwankte. Als er endlich wieder richtig atmen konnte, machte er einen unsicheren Schritt nach vorn. Sofort drehte sich das Zimmer um ihn, er biß die Zähne zusammen, bis es wieder zur Ruhe gekommen war. Der Arm schmerzte heftig. Indem sich Ian auf das Pochen und Stechen konzentrierte, gelang es ihm, einen weiteren Schritt zu gehen und noch einen. Wie gut, daß niemand in der Nähe war, seine mühseligen und beschämenden Anstrengungen mitanzusehen.
Welch ein demütigender Gedanke, daß eine winzige Bleikugel Ian MacGregor hatte zu Fall bringen können! Daß es noch dazu
eine englische gewesen war, trieb ihn um so heftiger, einen Fuß vor den anderen zu setzen, obwohl die Beine nicht recht mochten und ihm der kalte Schweiß ausbrach.
Das Herz dagegen war erfüllt von unbändigem Stolz. Wenn er schon überlebt hatte, um weiterkämpfen zu können, so wollte er das auch tun, verdammt noch mal! Und dazu mußte er erst einmal wieder gehen können.
Als Ian endlich in der Küchentür stand, erschöpft und schweißgebadet von der Anstrengung, sang Alanna ein Weihnachtslied. Es schien ihr keineswegs unvereinbar, in einem Augenblick von drallen Frauenzimmern zu trällern und im nächsten von der Verkündigung der Engel. Ian freilich war es ziemlich gleich, was Alanna sang. Er schaute sie an und lauschte. Er war einerseits fest davon überzeugt, daß ein MacGregor nur in den Highlands würde leben wollen, doch es schien ihm ebenso sicher, daß er den Klang dieser Stimme nie mehr im Leben vergessen konnte. Bis ins Grab würde ihm der klare Gesang in den Ohren klingen, in dem ein wehmütiger Ton mitschwang. Das Lied handelte von einem Mädchen mit blondem Haar und erweckte in Ian die Vorstellung, wie Alannas Haar gelöst über ein Kissen floß. Über sein Kissen, stellte er mit einem Zusammenzucken fest.
Gerade dort wollte er sie zweifellos haben. Die Erkenntnis traf ihn so jäh, daß ihm war, als könne er spüren, wie die weichen, seidigen Wellen durch seine Finger glitten.
Jetzt allerdings waren die rabenschwarzen Locken unter einem weißen Häubchen verborgen. Alanna hätte unerhört
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