Historical Weihnachtsband 1993
„Ich weiß ganz genau Bescheid über eure kleine ,Tea-Party', mein Junge." Sie hob ihm das Glas entgegen und trank Ian zu. „Cheers", sozusagen von einer MacGregor zu einem MacGregor!" Dann fuhr sie fort: „Ich weiß, daß die Engländer längst murren. Wären sie doch an ihrem verwünschten Tee gleich erstickt." Sie hob abwehrend die Hand.
„Aber halten wir uns nicht damit auf. Zugegeben, ich will natürlich erfahren, was man in New England und anderen Teilen Amerikas fühlt und denkt, aber zuerst will ich hören, was mit dir los ist."
„Mit mir?" Er hob mit einer abwehrenden Bewegung die Schultern und griff nach dem Brandybecher. „Es lohnt sich wohl kaum, so zu tun, als wärest du nicht längst über meine Unternehmungen informiert, etwa über meine Verbindung zu Sam Adams und den ,Söhnen der Freiheit'. Und was unsere Pläne anbelangt, so geht es voran, langsam, aber stetig."
Beinahe hätte sie sich verleiten lassen, in diese Richtung weiterzufragen, aber das alles würde sie von ihrem Mann und den anderen ohnehin erfahren.
„Laß uns von dir persönlich reden, Ian." Plötzlich ernst geworden, beugte sie sich zu ihm und nahm seine Hand. „Du bist der älteste Sohn meines Bruders und außerdem mein Patenkind. Ich habe dich in die Neue Welt geholt. Und so wahr ich hier sitze, dich quält etwas, das nichts mit Freiheit und Rebellion zu tun hat."
„Nichts und zugleich alles", sagte er leise und mehr zu sich selbst.
„Erzähle mir von ihr!"
Ian warf seiner Tante einen erstaunten Blick zu. „Ich habe keine ,Sie' erwähnt."
„Dein Schweigen war tausendmal beredter als Worte, da kann es sich nur um eine Frau handeln." Serena Langston lächelte bereits wieder und hielt seine Hand fest.
„Gib dir keine Mühe, mein Junge, mir etwas zu verheimlichen. Wir sind aus einem Blute. Sag schon, wie heißt sie?"
„Alanna", hörte er sich antworten. „Zur Hölle mir ihr!"
Mit einem Auflachen lehnte sie sich zurück. "Alanna! Das klingt hübsch, gefällt mir.
Sprich weiter!"
Er ließ sich nicht zweimal auffordern. Obwohl er keineswegs die Absicht gehabt hatte, vertraute er seiner Tante innerhalb der folgenden halben Stunde rückhaltlos alles an, alles von dem Augenblick an, als er, Ian, aus seiner schweren Bewußtlosigkeit halb betäubt in dem Stall zu sich gekommen war, bis zu dem Abschied, dem Zorn und der Enttäuschung beim Auseinandergehen.
„Sie muß dich wirklich sehr lieben", stellte Serena leise fest.
Schon während seiner Beichte war Ian aufgestanden, vor dem Kamin auf und ab geschritten, dann zum Fenster und zurück zum Kamin. Trug Ian MacGregor auch die Kleidung eines Gentleman, so bewegte er sich dennoch wie ein Offizier. Endlich blieb er stehen, hinter ihm flackerten die Flammen. Dabei erinnerte er seine Tante schmerzlich an ihren Bruder Coli, seinen Vater.
„Nennst du das Liebe, was einen Mann zurückstößt und als halben Menschen fortschickt? Eine schöne Liebe ist das!"
„Wenigstens eine sehr tiefe und geradezu beängstigend starke." Sie stand auf und streckte ihm beide Hände hin. „Und ich verstehe sie besser, als du dir vorstellen kannst oder ich dir erklären könnte." Von Mitgefühl ergriffen, drückte sie seine Hände an die Wangen.
„Ich kann nicht anders werden, als ich eben bin."
„Nein, das kannst du nicht." Sie seufzte und zog Ian neben sich auf das Polster. „Ich war auch nicht dazu imstande. Wir sind Kinder unserer schottischen Heimat, lieber Junge, Hochlandgeist lebt in uns." Noch während sie sprach, brach der Schmerz um die verlorene Heimat sich Bahn. „Wir sind nun einmal zu Aufruhrern geboren und erzogen, Krieger seit dem Anbeginn aller Zeiten. Und doch stehen wir nur auf, um für das zu kämpfen, was uns von Rechts wegen gehört, für unser Land, unser Zuhause, unser Volk."
„Und das versteht sie nicht."
„Ich glaube eher, daß sie es nur zu gut versteht. Vielleicht ist es ihr bloß unmöglich, es zu bejahen. Wie aber kommt es, daß du, ein MacGregor, dich einfach hast von ihr fortschicken lassen? Warum hast du nicht um sie gekämpft?"
„Sie ist so eigensinnig, daß man nichts erreichen kann."
"Ach so." Serena Langston unterdrückte ein Lächeln und nickte. Wie oft hatte man auch sie eigensinnig genannt, immer und immer wieder in ihrem bisherigen Leben, vor allem einer! Und jetzt war es nichts als verletzter männlicher Stolz, der ihren Neffen dazu gebracht hatte, davonzureiten und seine Wunden zu lecken, hier in Virginia. Auch diesen Stolz verstand
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