Historical Weihnachtsband 1993
wieder in den Armen halten. Davon hatte er jahrelang geträumt, bis vor genau achtzehn Monaten Jason Cole ihm tückisch und aufreizend erzählte, Blythe Somers werde Seth Hampton heiraten. Hol der Teufel Jason Cole! Zum Teufel aber auch mit seiner, Rafes, Leichtgläubigkeit! Jene Lüge hatte ihn ins Herz getroffen und das bißchen Hoffnung geraubt, das er sich nach Jahren der brutalsten Schlächterei bewahrt gehabt, und wahrscheinlich war dies der Grund gewesen, daß er Jason Cole so einfach geglaubt hatte. Ständig unmittelbar von Tod und Sterben umringt, schien jede Zuversicht erloschen.
Vielleicht hatte ihm das auch das Überleben leichter gemacht?
Heute nacht hierherzukommen, war Rafe Hampton unvorstellbar schwergefallen, doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Vor knapp einer Woche war er, von Sheridans Armee in Savannah geschickt, im Shenandoah Valley eingetroffen.
Sheridan plante, an der Küste entlang zu marschieren und sich mit Grants Einheiten zu vereinigen, um die wenigen Truppen, die General Lee noch geblieben waren, einzukreisen. Da Rafe Hampton die Gegend gut kannte, hatte man ihn mit Sheridans Stab nach Virginia beordert. Noch während der Zeit im Feldlager war dann eine Abteilung der Reiterei auf einige Konföderierte gestoßen, und ein Unionsoffizier erkannte unter den Fliehenden einen General, der mit Lees Plänen bestens vertraut sein mußte. Noch wußte niemand so recht, was jenen General ausgerechnet in die Umgebung gebracht haben mochte. Vielleicht wollte er die versprengten Kavallerieverbände sammeln, von denen die meisten wie Mosbys Leute fast ausschließlich auf eigene Faust vorgingen. Das letzte, was man von dem feindlichen General gesehen hatte, war, daß er, im Sattel zusammengesunken, von einem anderen Offizier der Konföderierten, der eilends die Zügel ergriff, der Gefangennahme entzogen wurde. Obwohl zahlenmäßig den Unionssoldaten weit unterlegen, dafür von geradezu verbissener Entschlossenheit, hatte dann das Häuflein der Südstaatler Sheridans Leute so lange an einer Verfolgung gehindert, bis es dazu zu spät war.
Rafes Ortskenntnis hatte General Sheridan bewogen, den Major mit der Aufgabe zu betrauen, den Feind aufzuspüren, bevor der endgültig in Sicherheit wäre. Und Blythes Farm lag als erste auf dem Wege, den der Verwundete mit seinem Retter eingeschlagen hatte. So war Rafe Hampton mit schwerem Herzen hierher geritten in der Meinung, die einzige Frau, die er je geliebt hatte, sei entweder verlobt oder sogar schon mit seinem Bruder verheiratet.
In Wahrheit trug sie nach wie vor seinen, Rafes, Ring, und er begriff, daß er sich achtzehn Monate lang selbst die Hölle bereitet hatte, nur, weil er der haßerfüllten, lügnerischen Aussage eines verbitterten Feindes Glauben geschenkt hatte. Vergessen war der Halbwüchsige mit der Muskete, Rafe Hampton trat auf Blythe zu.
Sofort stand Jaime dazwischen und schaute den Offizier herausfordernd an. „Lassen Sie Miss Blythe gefälligst in Ruhe!"
„Sie haben da einen tapferen Beschützer, Miss Blythe", sagte Rafe leise, halb belustigt, halb verärgert.
Jaime", bat sie, uneins mit sich selber, ob sie wollte, daß Rafe gehe, oder nicht, und wiederholte noch einmal: Jaime, bitte, leg das Gewehr nieder."
„Sind Sie ganz sicher?"
Sie lächelte, und Rafe krampfte sich das Herz zusammen. Zum ersten Male seit seiner Ankunft sah er sie ungezwungen lächeln und fand sie dadurch unglaublich schön, zärtlich, schalkhaft und so verdammt frisch, rein und unschuldig. Er mußte sich gewaltsam zurückhalten, sie nicht an sich zu reißen. Wie aus weiter Ferne hörte er Blythe weitersprechen.
„Ich habe zwei Kuchen im Backofen", sagte sie zu dem Jungen. „Würdest du sie für mich herausholen, Jaime?"
„Aber das ist nicht Männersache."
„Dann willst du also morgen wohl keinen Kuchen?"
Unentschlossenheit malte sich in Jaimes Zügen. Er schwankte zwischen Verlangen nach Süßem und der Auffassung, die er von der Verantwortung eines richtigen Mannes haben mochte.
„Stell die Kuchen irgendwo hin, wo die Yankees sie nicht finden können", flüsterte ihm Blythe verschwörerisch zu.
„Und der da?" erkundigte sich Jaime argwöhnisch und warf Rafe Hampton einen finsteren Blick zu.
„Ich werde nichts verraten", versprach Rafe todernst, um den jungen Hitzkopf zu beschwichtigen und loszuwerden, so daß Blythe und er, Rafe, wieder allein sein würden. "Aber versteck sie gut, meine Leute haben Order, das Haus zu durchsuchen."
Jaime
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