Historical Weihnachtsband 2010
konnte sie sich von seinem Blick losreißen.
„Rose?“ Muriel zerrte an ihrem Arm. „Wir müssen gehen.“
Baldassare blinzelte, und damit brach der Zauber. „Wir sind uns doch gerade erst begegnet. Ich möchte Euren Namen wissen, meine Hübsche.“
Rosemary tat, als hätte sie nichts gehört. „Ich kann nicht bleiben. Es tut mir leid, dass ich Euch angerempelt habe“, sagte sie, darum bemüht, das Wort nur an den mit Ornamenten verzierten, vergoldeten Gürtel des Conte zu richten. Dann packte sie Muriels Hand und entfloh.
„Warte.“ Muriel blieb abrupt stehen, als sie an einem Tisch, beladen mit Früchtekuchen, vorbeikamen. „Was hat der denn von dir gewollt?“
„Ich … ich weiß es nicht.“ Rosemary nahm sich einen Becher Wein vom Tablett einer Bediensteten, die gerade an ihnen vorüberging. Sie hatte ein Gefühl, als wäre ihr die Kehle zugeschnürt, und das warme Getränk tat ihr gut. Aber es verscheuchte nicht den Eindruck, gerade noch einmal einer Gefahr entkommen zu sein.
„Hat er etwas gesagt oder dich bedroht?“, wollte Muriel wissen.
„Nein.“ Aber er hatte so eine eigenartige Ausstrahlung. Ach was, sie war eine Närrin. Baldassare war nichts als ein Ausländer mit eigenartigen Augen.
„Ich kann verstehen, dass er dich einschüchtert.“ Muriel beugte sich zu ihr. „Man sagt, er wäre mit dem Teufel im Bunde. Es gibt Gerede über perverse Riten und Zaubertränke.“
„Unsinn“, erwiderte Rosemary kurz angebunden. Ihre Reaktion war die instinktive Verteidigung eines anderen Heilers. Einst war sie selbst der Schwarzen Magie angeklagt gewesen, weil sie nachts in den Wald gegangen war, um Pflanzen zu sammeln. „Komm, lass uns diese Kundin suchen, damit ich danach in meine Apotheke zurückkehren kann.“
„Einverstanden. Während du mit diesem Conte … äh … sprachst, sah ich eine adlige Gesellschaft eintreten. Die Damen trugen hohen Kopfschmuck, der glitzerte nur so von Edelsteinen. Kann sein, dass Lady Chandre dabei ist, denn sie ist reich und kleidet sich glanzvoll.“
Rosemary zögerte. Die Aussicht, das Wort an eine derart erlesene Gruppe zu richten, schüchterte sie ein. „Was kann sie von mir wollen?“
„Was wir alle wollen“, meinte Muriel und ging weiter. „Die schönste, begehrteste Frau der Welt zu sein.“
„Dazu kann ich ihr aber nicht verhelfen.“ Rosemarys Protest ging im Lärm der Menge unter. Leise murrend über falsche Versprechungen folgte sie Muriel zum vorderen Teil des Saales. Der Fischhändler Master James, welcher auch der Bürgermeister war, und der Ratsherr Henry Spencer waren gerade dabei, ungefähr ein Dutzend adeliger Gäste zu begrüßen.
„Lady Chandre ist die in dem smaragdgrünen Kleid, die Dame, die etwas seitlich steht und sich mit diesem Herrn in schwarzem Samt unterhält.“
„Ach ja.“ Rosemary schenkte dem großen Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand, keine weitere Beachtung und widmete ihre Aufmerksamkeit der Dame.
Sie war nicht nur reich, sie war auch atemberaubend schön. Der dunkelgrüne Samt betonte ihre blasse Haut. Der Haarsansatz über der Stirn war gezupft, aber sie musste wohl blond sein, denn ihre Augenbrauen besaßen die Farbe reifen Weizens. Große, blaue Augen beherrschten das perfekte Oval ihres Gesichts. Ihre Wimpern schlugen wie Schmetterlinge, während sie mit ihrem Begleiter flirtete.
„Ich wüsste nicht, warum sie meine Cremes nötig haben sollte“, murmelte Rosemary.
„Sie wird älter, und das kann sie nicht ertragen.“ Muriel packte Rosemary beim Arm und drängte sie nach vorne, bis sie genau hinter Lady Chandres Begleiter zu stehen kamen. „Mylady … einen Augenblick, bitte.“
Lady Chandre drehte den Kopf, und das harte Licht der Fackeln fiel auf ihr Gesicht. Gnadenlos beleuchtete es jede Linie und Falte, jede welke Hautpartie, jede schlaffe Kontur und jede Unvollkommenheit. Die Dame merkte nicht, dass das Licht ihr die Maske raubte. Sie zog hochmütig die Brauen hoch. „Wer seid Ihr?“
„Muriel … Lady Muriel FitzHugh. Wir sprachen damals über Mixturen für die Haut.“
Lady Chandre erblasste. „Ich brauche so etwas nicht.“
„Aber ich meinte doch nicht für Euch selbst“, erwiderte Muriel rasch, immer noch ganz Kaufmannstochter. „Aber Ihr habt eine Lotion bewundert, die Rosemary für mich gemischt hatte, und meintet, eine Eurer … nun, Freundinnen könnte von ihrem Gebrauch profitieren. Ihr wolltet Rosemary kennenlernen.“ Muriel schob Rosemary zwischen Lady Chandre und
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