Hitzetod
von Anfang an in diese Sache verwickelt. Er hat Eddie Bonner umgebracht oder umbringen lassen.«
»Was soll ich tun?«
»Ich fahre zu meiner Schwägerin. Wissen Sie, wo das ist?«
»Soll ich einen Streifenwagen hinschicken?«
»Nein«, erwiderte er scharf. »Ich möchte nicht, dass irgendetwas ihn nervös macht. Tun Sie gar nichts, bevor ich es Ihnen sage, ja?«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen mich nicht Sir nennen.« Delaney klappte das Handy zu und sah Kate an. »Fahr schneller.«
Kate trat das Gaspedal durch und raste auf der Busspur dahin, wobei sie ohne Rücksicht auf eigene Lackschäden oder die Empörung anderer Fahrer Autos zur Seite drängte. Delaney hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, in eine Zukunft, die er nicht zulassen würde.
Das Mädchen winkte zum Abschied seiner Freundin, die durchs Heckfenster des davonfahrenden Autos zurückwinkte. Während sie da stand und dem Auto nachsah, zog sie sich die Baseballkappe der New York Yankees tiefer ins Gesicht und sang leise »Oh my darling Clementine« vor sich hin. Die Kappe war ein Geschenk ihres Vaters und das Lied eine seiner Lieblingsmelodien. Jedenfalls nahm sie das an, weil er es dauernd auf den Lippen hatte. Und ob die Kinder in der Schule sie sonderbar fanden, weil sie kein Designerhütchen trug und nicht den neuesten Hit irgendeines Teenie-Popidols trällerte, interessierte sie nicht. Was sie interessierte, war die Frage, wie sie ihren Vater wieder glücklich machen konnte. So glücklich wie damals, als sie noch viel jünger war. Die Erinnerung an diese Zeit war inzwischen verblasst, aber sie hatte noch sein warmes Lachen im Ohr, wenn er ihre Mutter umarmte. Sie konnte sich an die Musik und das Lächeln erinnern, das sie noch manchmal in seinen Augen aufblitzen sah, wenn er über einen ihrer Witze lachte oder in die Hände klatschte, während sie eins seiner Lieblingslieder für ihn sang. Sie wünschte nur, sie könnte diese Augenblicke wie beim DVD-Player auf Pause stellen, sodass er für immer so glücklich wäre.
Nachdem das Auto um die Ecke verschwunden war, ging das Mädchen singend den Kiesweg zu seinem Haus hinauf, den Blick auf seine Füße gerichtet, die sich schlurfend durch die geharkten Kiesel fortbewegten.
Das Schloss quietschte, und als Siobhan den Kopf hob, stellte sie erstaunt fest, dass die Tür offen war und in der Diele ein Mann stand, der auf sie herablächelte und einen Jungen mit zerzausten Haaren neben sich hatte.
»Hallo?«
»Hallo Siobhan.«
»Du bist sehr hübsch«, sagte der dunkelhaarige Junge, dessen Lächeln schiefe Zähne offenbarte, ein kleiner Makel in diesem ansonsten vollkommenen Gesicht eines zigeunerhaften Chorknaben.
Kate ließ den Motor aufheulen, während sie durch den Kreisverkehr kurvte, wobei sie jemanden auf der Innenseite schnitt und fast die Kontrolle verloren hätte, aber sie war eine geübte Fahrerin, richtete das Lenkrad wieder gerade und beschleunigte von neuem, denn sie wollte den Verkehr vor ihr dazu bringen, sie durchzulassen.
»Warum machen sie das, Jack?«
»Wer?«
»Leute wie mein Onkel.«
»Die menschliche Natur.«
»Das ist böse. Nicht menschlich.«
Delaneys Augen glitzerten dunkel. »Wir sind alle zum Bösen fähig.«
Kate schielte zu ihm hinüber und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Leute wie dein Onkel bekommen Kinder wie Andy in die Finger und tun ihnen solche Dinge an, weil Leute wie wir sie nicht daran hindern.«
Kate blickte ihn wütend an. »Sag so was nicht!«
»Kinder werden wie Müll auf der Straße zurückgelassen, und dann beschweren wir uns, wenn die falschen Leute sie auflesen. Wir vertrauen Menschen in verantwortlichen Positionen und drücken ein Auge zu, wenn dieses Vertrauen auf übelste Weise missbraucht wird. Lehrer, Polizisten, Sozialarbeiter, Geistliche …«
Er verstummte. Kate sah ihn von der Seite an. »Du klingst, als sprächst du aus Erfahrung.«
Einen Moment lang schwieg Delaney. »Ich lebe damit, Kate, tagaus tagein. Es ist mein Job. Das Ungeziefer wegkehren, das aus dem Rinnstein kriecht, wenn wir Menschen wie Abfall behandeln. Ungeziefer wie Billy Martin und dein Onkel.«
Zögernd blieb Siobhan in der Tür stehen. Walker lächelte ihr zu, während er mit der Daumenbeere über die Narbe auf seiner Wange strich. »Es ist alles in Ordnung, Siobhan, ich bin Superintendent Walker, der Chef deines Vaters.« Er zog seinen Dienstausweis heraus. »Das ist mein Ausweis.
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