Hitzetod
wie jemand veranlagt sein muss, der gerne tote Menschen aufschneidet, Eddie.«
Kate sah ihn herausfordernd an. »Das unterscheidet uns vermutlich, Cowboy. Ich packe gerne Dinge an, während Sie lieber nur zuschauen.« Einer Erwiderung von Delaney kam sie zuvor, indem sie ihre Schutzbrille herunterklappte und das Sägeblatt senkte. Sein heiseres Heulen wich einem wehklagenden Pfeifen, als es Fleisch und Sehnen durchdrang und sich in das Knochengewebe von Jackie Malones Brustkorb biss.
Delaney wandte den Blick ab. Er hatte hunderten von Obduktionen beigewohnt, aber nie einer, bei der er das Opfer gekannt hatte. Jedenfalls nicht so wie Jackie Malone.
Die Zeit verging. Organe wurden entfernt, gewogen, untersucht. Die Wirtsstruktur, die einst Jackie Malone beherbergt hatte, war in ihre Bestandteile zerlegt worden: Fleisch, Blut, Knochen und Sehnen. Falls einmal eine Seele damit verbunden gewesen war, war sie jetzt nicht mehr hier, für das Auge des Wissenschaftlers zumindest nicht sichtbar.
Als Kate ihre Gummihandschuhe abstreifte und in den Mülleimer warf, wandte Delaney sich ihr zu. Er brauchte die Frage gar nicht zu stellen.
»Genauso wie ich es am Tatort bereits vermutet hatte: Tod durch Ersticken. Sie ist an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt. «
Bonner lächelte kalt. »An welchem sonst?«
»Halten Sie den Mund, Bonner.« Delaney war nicht mehr in der Stimmung für sarkastischen Humor.
»Die Verletzungen sind ihr hauptsächlich nach dem Tod zugefügt worden. Die schweren zumindest.«
Delaney nickte, spürbar erleichtert. »Brauchbarer Samen?«
Seine Wortwahl ließ Kate einen Moment innehalten, doch sie verkniff sich einen Kommentar; vor den Toten machte sie keine Scherze. »Spuren eines Gleitmittels sowohl in der Vagina als auch im After. Ein Gleitmittel, wie es bei hundert verschiedenen Standardkondomen Verwendung findet.«
»Also nichts Ungewöhnliches?«, fragte Bonner.
»Nein. Vor allem, wenn man die Art ihrer Beschäftigung bedenkt.«
Bonner schüttelte verwundert den Kopf. »Sexualverbrechen. Diese ganze Leidenschaft, Wut …, und trotzdem haben sie sich so weit unter Kontrolle, dass sie ein Kondom benutzen.«
Delaney runzelte die Stirn. »Das Fernsehen ist schuld daran. «
Kate sah zu ihm hinüber, aber er scherzte nicht.
»Heutzutage wissen alle zu viel, oder?«
Kate stimmte zu. »Über alles.«
Howard Morgans Gesicht füllte den ganzen Bildschirm aus, wobei die fahle Narbe, die vom Hals bis zu seiner linken Augenpartie lief, durch die unscharfen Farben des alten Fernsehers noch abstoßender wirkte.
Abigail Parks drückte auf die Fernbedienung, um besser zu verstehen, was er sagte.
»Wir wollen nur, dass du nach Hause kommst. Niemand macht dir Vorwürfe.« Er sprach steif und holprig, während seine Augen immer wieder nach links zuckten, wo DC Cartwright ihm, von der Kamera nicht erfasst, lautlos soufflierte.
Abigail sah zu ihrer Tochter hinüber, die mit unterdrückter Nervenanspannung in den Fernseher starrte.
»Wenn du das hier siehst, ruf uns an, bitte.«
In Kaufhäusern überall in der Hauptstadt erschien Morgans übel zugerichtetes Gesicht auf großen und kleinen Fernsehbildschirmen. Doch nur wenige Leute blieben stehen, um sich anzuhören, was der vernarbte Mann zu sagen hatte. Nur wenige schenkten ihm Beachtung.
Draußen gingen die Menschen ihrem Alltagsgeschäft nach. Sommer in der Stadt, und alles wirkte heiter und fröhlich, sogar die japanischen Touristen. Am Piccadilly Circus ließen junge Liebespaare sich auf den Stufen des Eros-Brunnens ablichten, rote Busse fuhren mit Schwung durch den Kreisverkehr und unter den großen Leuchtreklamen vorbei und boten fotografierwütigen Touristen das perfekte Motiv. Ein London, das von Delaney und Jackie Malone, Howard Morgan und seiner Tochter so weit entfernt war wie der Mond.
Und entlang The Mall in Richtung Westminster ein schnittiges schwarzes Auto mit einem weiteren Raumfahrer als Passagier, doch letztlich trafen in der Metropole früher oder später alle Welten aufeinander.
Superintendent Walker, der gerade von der Pressekonferenz kam, hielt sich, den Blick auf die vorbeiströmenden Touristen gerichtet, ein Handy ans Ohr und machte wenig Anstalten, die Langeweile in seiner Stimme zu verbergen.
»In einer halben Stunde habe ich ein Treffen mit dem Innenminister. « Er lauschte ungeduldig. »Ich verstehe ja, dass Sie Ihre Schwierigkeiten haben, mein Lieber, aber in der Vergangenheit hatte ich Probleme mit Ihren Leuten.
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