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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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bernsteinfarbene Flüssigkeit tropfte ihm aus einem Mundwinkel, während der Rest ihm brennend die Kehle hinunterrann und eine Träne langsam aus seinem vernarbten Auge floss. Er schaute das Foto seiner kleinen Tochter an, das er auf den Tisch gestellt hatte, und musste kräftig schlucken. Seine gebrochene Stimme ein Krächzen. Eine Abschiedsrede.
    »Es tut mir leid.«
    Er kippte die zweite Hälfte des Rums hinunter und goss sich das Glas wieder voll.
    »Es tut mir leid.«
     
Wieder Nacht auf dem Fluss. Die Hitze hing immer noch schwer wie eine Bettdecke in der Luft. Das kalte, harte Licht des hinter ein paar Wolkenfetzen halb verborgenen Mondes fiel auf die Erde und wurde vom Wasser reflektiert.
    Im schlickigen Schilf bildete sich eine kleine Welle, die unter feuchtem Gurgeln den Schlamm vom Ufer sog und einen halb aus dem Wasser ragenden Kopf mit wiegender Bewegung ans Ufer schlug. Die leblosen Augen schienen jede Farbe verloren zu haben, in jeder Iris das winzige Spiegelbild des Mondes, die weiße Haut von der Beschaffenheit durchnässter Pappe. Der Mund war in einer Todesgrimasse nach hinten gezogen, die Hände waren mit Kleiderbügeldraht gefesselt. Als der Mond hinter einer Wolke verschwand, fiel Dunkelheit auf den Fluss.
    Der Schrei eines Mädchens klang durch die Luft und wurde plötzlich gedämpft. Kurze Zeit später schob der Mond sich hinter einem Gewirr von Wolken hervor und beleuchtete erneut den Pfad am Fluss.
    »Mach schon, Schatz, ich muss das Auto zurückbringen. Beweg deinen verdammten Arsch.« Die Worte junger Liebe, postkoital. Ein Mann Anfang zwanzig bahnte sich am Ufer entlang seinen Weg.
    »Warte mal. Ich muss erst meinen Schlüpfer suchen.« Sie war auch noch jung, hübsch und auf Absätzen staksend, die eher fürs Schaufenster als zum Gehen gemacht waren. »Ich finde ihn einfach nicht.«
    »Komm jetzt. Das ist doch nicht das erste Mal, oder?«
    Und dann wieder ein Schrei, diesmal des Entsetzens, als Billy Martin vom Ufer aus anzüglich zu der jungen Frau hinaufblickte, wie ein grauer Voyeur, der versuchte, ihr unter den allzu dünnen Rock zu spähen. Der hin und her kippende, vom Wasser aufgequollene Kopf von Billy Martin. Einem aus der Gegend.
    Sie flüchtete sich, immer noch schreiend, in die Arme ihres ungeduldigen Freundes. Völlig außer Atem versuchte sie zu beschreiben, was sie gesehen hatte, doch ihr fehlten die Worte. Sie zog ihn mit sich, um ihm den Kopf zu zeigen, doch da war Billy Martin schon wieder weg. Von der Gezeitenströmung abermals hinabgezogen, zurück in die kalte, stille Umarmung der Wassertiefen.
     

11
     
    Donnerstagmorgen. Gemüter erhitzten sich, als der Berufsverkehr auf der Western Avenue unter Husten und Keuchen praktisch zum Erliegen kam, die Luft abgasgeschwängert und vom wütenden Hupen der Autos erfüllt. Im Winter waren die Staus durch die Pendler schon schlimm genug, aber in den Sommermonaten, wenn der Touristenverkehr noch dazukam, war eine Fahrt mit dem Auto in die Hauptstadt alles andere als ein Vergnügen. Da nützten Ken Livingstone und seine Innenstadtmaut ungefähr so viel wie ein Heftpflaster an einem abgehackten Finger.
    Das Thermometer stieg bereits in Richtung dreißig Grad, als Delaney gähnend ins Büro kam und mit düsterer Miene zum Fenster schaute, durch das der Verkehrslärm hereindrang. Er warf das Jackett über die Rückenlehne seines Stuhls, fuhr sich durch das strähnige Haar und drückte sich die Fingerknöchel auf die blutunterlaufenen Augen. Aus der Schreibtischschublade angelte er zwei Schmerztabletten, schluckte sie ohne Wasser und verzog das Gesicht, als sie ihm in der Kehle stecken blieben. Dann goss er sich einen ordentlichen Schuss kalten Kaffee aus der Filterkanne in eine fleckige Tasse und stöhnte auf, als er einen Schluck davon nahm. Der Kaffee stand noch von gestern auf der Warmhalteplatte, und im Gegensatz zu guten Weinen und schönen Frauen hatte der Alterungsprozess bei ihm den Reiz nicht erhöht. Delaney schickte sich gerade an, eine neue Kanne aufzusetzen, als Bonner, frisch wie der junge Tag, hereinschlenderte. Der DS bemerkte amüsiert, wie Delaney gegen das grelle Sonnenlicht anblinzelte.
    »Heftige Nacht, Chef?«
    Delaney brummte eine einsilbige Antwort; um ehrlich zu sein, er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal ohne Kater wach geworden war. Er wartete, bis der Kaffee durch die Maschine gelaufen war, bevor er sich eine Tasse einschenkte und zu Bonner hinüberging, der an Jenny Morgans Laptop

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