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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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Erinnerungen wegzubrennen.
    Durch die Massen von Fußgängern und das gemächliche Gleißen des Verkehrs hindurch warf er einen Blick über die Straße, auf die Art von moderner Bar, die er überhaupt nicht mochte, alles weißes Holz und Chrom hinter einer großen Glasscheibe. Ein Goldfischglas mit Alkohol darin. Und hinter der breit geschwungenen Theke konnte man Stahlröhren und bernsteinfarbene Flaschen sehen, die mit jedem Glas oder Schluck Vergessen brachten. Er sah die Leute, die trinkend und lachend dort standen, in einer Welt fern von Schmerz. Und hätte sich am liebsten zu ihnen gesellt. Hätte am liebsten wie ein Sheriff in einem alten Western sein Polizeiabzeichen auf den staubigen Asphalt geworfen, um das Leiden und die Verantwortung hinter sich zu lassen. Er dachte eine ganze Weile darüber nach, schmeckte den Whisky auf der Zunge, fühlte, wie das kalte Guinness nicht nur seine Kehle, sondern auch seinen Verstand betäubte. Dieses Gefühl hätte seine Beine um ein Haar dazu veranlasst, auf die Straße zu treten, doch plötzlich stieß eine vorbeigehende Frau mit ihm zusammen. Eine Entschuldigung murmelnd, trieb sie ihn weg von der Straße, weg von der Bar, zurück zu einem verschwundenen Mädchen und einer ermordeten Prostituierten. Einen Moment lang stand er da und dachte an Jackie Malone, erinnerte sich an ihr Lachen. Ein tiefes, kehliges, ausgesprochen ansteckendes Lachen. Die einzige Frau, die ihn je seine tote Frau hatte vergessen lassen, wenn auch nur für kurze Zeit. Dann ging er für ein einziges kaltes Bier über die Straße.
    Eins, und Schluss.
     

10
     
    Als Delaney ins Polizeirevier zurückkehrte, nickte er Dave Patterson zu. »Hering.«
    »Cowboy.«
    Patterson sah aus, als wollte er noch mehr sagen, aber Delaney, der sich nicht in Smalltalk verwickeln lassen wollte, gab rasch den Sicherheitscode ein, öffnete die Tür und stieg die Treppe hinauf.
    Das CI D -Büro war verlassen. Eilig ging er zu seinem Schreibtisch und setzte sich hin, während er sich mit einem prüfenden Blick vergewisserte, dass niemand ihn beobachtete. Er beugte sich vor und zog die unterste Schublade auf; unter einem Wust von Papieren und Fallakten fand er das kleine schwarze Buch, das er suchte. Jackie Malones Tagebuch. Nachdem er sich noch einmal davon überzeugt hatte, dass er nicht beobachtet wurde, blätterte er das Buch auf der Suche nach einer weiteren Erwähnung seines Namens durch. Die letzten zehn Seiten riss er heraus, zündete sie mit seinem Feuerzeug an und sah zu, wie die Flammen gierig an den Blättern emporzüngelten und die Schrift darauf verschlangen. Ein oder zwei Sekunden lang behielt er die Blätter in der Hand, bevor er sie in seinen metallenen Papierkorb warf. Erst als nur noch fedrige Asche übrig war, steckte er das Tagebuch in die Tasche und warf noch Papier auf die Asche, um sie zuzudecken.
    Er stellte den Papierkorb wieder an seinen Platz und schaute zu der Uhr an der Wand hoch. Zwanzig Uhr dreißig und noch keine einzige Reaktion auf Morgans Appell im Fernsehen. Jedenfalls keine brauchbare. Delaney fragte sich immer wieder fassungslos, was das für traurige, perverse Existenzen sein mussten, die sich am Elend anderer Menschen weideten, indem sie Scheingeständnisse ablegten und falsche Zeugenaussagen machten. Er sah zu, wie der Sekundenzeiger über das Ziffernblatt der Uhr glitt, und wusste, dass jede verstrichene Stunde die Chancen reduzierte, Jenny Morgan lebend zu finden. Es dauerte bereits viel zu lang, und Delaney fragte sich unwillkürlich, ob sie wohl bald eine weitere Kandidatin für Kate Walkers emotionslose Aufmerksamkeit sein würde. Und das war ein weiteres Rätsel. Warum ging Kate Walker ausgerechnet dieser Arbeit nach? Sie hatte eine ausgezeichnete Ausbildung genossen, Geldadel im Hintergrund; sie hätte alles tun können, was sie sich wünschte. Was veranlasste eine Frau wie sie dazu, sich ihren Lebensunterhalt mit dem Sezieren von Menschen zu verdienen? Er stand auf und schlüpfte in sein Jackett. Leute wie sie kamen woandersher als seinesgleichen. Er würde sie nie verstehen, und er würde auch keine Zeit mit dem Versuch verschwenden, das zu ändern. Jedenfalls keine wertvolle Zeit, die er aufs Trinken verwenden konnte.
     
Howard Morgan saß allein in seinem Wohnzimmer. Auf dem Resopaltisch vor seinem Stuhl stand eine Flasche billiger Rum, ein mit dem Fusel gefülltes Glas hielt er mit der Hand umklammert. Er hob es und trank es in einem Zug bis zur Hälfte aus; die

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