Hitzetod
»Sie können fahren.«
»Wohin geht’s?«
»Candy Morgans Therapeutin. Sie hat doch anscheinend lange genug in ihrem Kopf herumstochern können; mal sehen, ob sie da irgendwas Brauchbares gefunden hat.«
»Okay, Chef.«
Sally stieg ein, während Delaney ein Stück von seinem Sandwich abbiss und zufrieden kaute. Roy, der Science-Fiction besessene Burger-Brater, ging ihm zwar granatenmäßig auf die Nerven. Aber Sandwiches mit Schinkenspeck zubereiten, das konnte er.
Delaney schluckte den Bissen hinunter, doch als er darüber nachdachte, wo Billy Martin vielleicht sein könnte, verging ihm der Hunger mit einem Mal. Er dachte an Jackie Malone auf dem Tisch im Leichenschauhaus und dann mit schlechtem Gewissen auch an Kate Walker. Dachte an ihre langen, wohlgeformten Beine. Ihre dunklen, dichten Haare, die Art, wie sie sie ärgerlich zurückwarf, das Blitzen ihrer Augen und den sanften Schwung ihrer blutroten Lippen. Und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Kate spürte die Bewegung eher als sie sie sah. Sie wirbelte herum, ihr Arm schnellte hoch, die Handfläche nach vorne gerichtet, eine instinktive Verteidigungshaltung. Der Schlag prallte von ihrem Unterarm ab und glitt schmerzhaft über ihren Ellbogen. Sie schnappte nach Luft, ließ sich jedoch durch den Schmerz nicht davon abhalten, ihre Drehung zu vollenden, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie konzentrierte sich und trat mit dem rechten Fuß so weit nach oben, dass sie den Kopf ihrer Angreiferin traf.
Die andere Frau war groß – mit eins achtzig gut fünf Zentimeter größer als Kate –, aber die jahrelange Yogapraxis hatte Kate ausgesprochen gelenkig gemacht, und hinter dem Tritt steckte Wut. Die größere Frau sank überrascht und ächzend auf die Knie. Kate zog die Hand zurück und ballte sie mit den Fingern nach oben zur Faust, während sie die andere mit der Handfläche nach unten auf Hüfthöhe neben dem Körper hielt, und trat auf ihre Gegnerin zu, die heftig nach Luft rang. Ihre Blicke trafen sich, während Kate sich erneut bereitmachte.
»Genug.« Die Frau hob die Hand. »Um Himmels willen, Kate, das hat sich ja angefühlt, als meintest du es ernst.«
Kate verzog das Gesicht zu einer bedauernden Grimasse und streckte die Hand aus, um ihr hochzuhelfen. »Entschuldige, Jane. Ich wollte dich nicht umstoßen.«
Jane lachte, vor Schmerz zuckend. »Wenn du es gewollt hättest, wäre ich lieber nicht hier.«
»Sagen wir unentschieden?«
»Ich würde sagen, Feierabend. Dieser Körper wird allmählich zu alt für solcherlei Misshandlungen.«
Kate klopfte ihr auf den Rücken. »Blödsinn.« Mit ihren fünfundvierzig Jahren hatte Dr. Jane Harrington immer noch einen Körper, um den viele Einundzwanzigjährige sie beneiden würden. Und als sie die Übungsmatten verließen und quer durch die Halle zu den Duschen gingen, nahm Kate wahr, dass sie beide eine ganze Menge bewundernder Blicke ernteten. Manche davon beinahe willkommen.
In der Duschkabine drehte Kate den Regler auf mittlere Hitze und stellte sich unter den scharfen dampfenden Wasserstrahl. Ihr Körper schmerzte überall, aber es war ein angenehmer Schmerz, wie er nur von hartem Training kam, einem Training, das sie in eine andere Sphäre versetzte und ihren Körper mit Endorphinen überschüttete. Sie war immer sportlich gewesen, schon als junges Mädchen, aber erst im Kampfsport war sie wirklich in ihrem Element. Die Disziplin, die Konzentration, die Zähigkeit von Geist und Körper. Und sie war gut darin. Das war wichtig für Kate; es gefiel ihr nicht, bei irgendetwas nur Zweitbeste zu sein. Und das Selbstvertrauen, das das Training ihr vermittelte, war mehr als nur eine Dreingabe. Sie hatte ihr Leben gerne unter Kontrolle, und wenn jemand es darauf anlegte, sie zu verletzen, würde er feststellen, wie sehr sie die Kontrolle hatte. Das heiße Wasser trommelte auf ihre Haut, und sie hatte das Gefühl zu glühen, zu vibrieren. Sie wusste nicht, warum sie zuließ, dass dieses arrogante Arschloch von Delaney ihr unter die Haut ging, aber er tat es, hatte es von Anfang an getan. Ein wenig schuldbewusst lächelte sie bei dem Gedanken daran, wie fest sie ihre Freundin getreten hatte. Sie war sich sicher, dass es in ihrem Unterbewusstsein Delaney gewesen war, den sie hatte treffen wollen. Ganz bestimmt hatte er sie dazu veranlasst, Jane anzurufen und ihr eine Trainingseinheit vorzuschlagen. Manchmal musste man die negative Energie einfach wegbrennen, und Kate kannte keinen besseren
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