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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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Restaurantketten wie Slug and Lettuce, All Bar One und Pitcher and Piano waren an die Stelle des alten Islington getreten, das Delaney noch gekannt hatte. Dabei genehmigte er sich, wenn er die Möglichkeit dazu hatte, durchaus hin und wieder einen Drink im King’s Head, wo es passieren konnte, dass man sein Bier neben einem irischen Fiedelspieler trank, genauso gut aber auch neben einem langhaarigen Drogendealer, dessen Träume vom Starruhm als Rockmusiker längst schmerzlich zerplatzt waren. Irgendetwas an der unverfälschten Art des Lokals gefiel Delaney, und wenn er es auch als affektiert empfand, dass die Rechnungssummen hier noch in eine altmodische Registrierkasse getippt wurden, und zwar in l.s.d. – womit nicht die Droge, sondern die britische Währung vor der Dezimalisierung gemeint ist –, dann war das ein geringer Preis für ein bisschen Aufmüpfigkeit inmitten der verheerenden Folgen des Fortschritts.
    Von Angel aus wäre Delaney nur zu gern zum King’s Head weitergefahren, bat Kate jedoch, stattdessen in die Liverpool Road und dann gleich wieder links in eine Reihe von Seitensträßchen abzubiegen, auf denen sie innerhalb weniger Minuten in eine gesichtslose Industriebrache gelangten. Sie fuhren schweigend dahin, bis Delaney kräftig fluchte, weil das Auto auf dem unebenen und aufgebrochenen Straßenbelag hüpfte und ruckelte. Er drehte sich zu Kate um. »Entschuldige.«
    »Ich glaube, wir haben andere Sorgen, findest du nicht?«
    Delaney zuckte kleinlaut die Achseln, und Kate lachte, ein nervöses, etwas zu lautes Lachen, das die Spannung verriet, die sich wie ein Krampf in ihrem Magen wand.
    Delaney legte ihr die Hand aufs Knie. »Es wird schon alles gut werden, Kate.«
    Eine oder zwei Kurven weiter führte diese ramponierte Straße sie zu einer Reihe alter, längst verlassener viktorianischer Lagerhäuser, von denen eins baufälliger war als das andere. Langsam fuhr Kate zu dem halb verfallenen, oben abgeschrägten Gebäude, auf das Delaney gezeigt hatte, und hielt an.
    »Sei vorsichtig, Jack.«
    Er beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie. »Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder da bin, ruf die Polizei.«
    »Nicht sehr witzig.«
    Als Delaney die Beifahrertür öffnete, legte Kate ihm die Hand auf den Arm. »Vielleicht sollte ich mitkommen.«
    »Ich möchte, dass du hierbleibst.«
    »Das ist eine Falle. Bonner hätte dich entlasten können, hat es aber nicht getan.«
    »Du hast es mir gesagt. Behalte das Gebäude im Auge. Wenn nach mir noch jemand reingeht, rufst du mich an, ja? Mehr brauchst du nicht zu tun.«
    Delaney stieg aus und ging zum Kofferraum. Nachdem er den Deckel hochgeklappt hatte, zog er den Reißverschluss seiner Reisetasche auf und schob ein Kleidungsstück beiseite, unter dem ein in ein Tuch eingewickelter Gegenstand lag. Er nahm ihn heraus, wickelte ihn aus und wog ihn in der Hand. Eine nicht registrierte Waffe, die er seit etwa vier Jahren besaß. Er sah nach, ob sie geladen war, obwohl er ganz genau wusste, dass sie es war, und steckte sie sich auf der linken Seite in den Hosenbund, während er den Kofferraum schloss und zur Tür des Lagerhauses hinüberging. Am Eingang blieb er stehen, spähte um die Ecke und ging hinein.
    Drinnen war es dunkel, und es dauerte eine Weile, bis Delaneys Augen sich daran gewöhnt hatten. Dann sah er, dass es sich hier um ein sehr altes, vollkommen baufälliges Gebäude handelte. Teilweise war es bereits abgerissen, und mehrere halb zerstörte Räume führten labyrinthartig zu einem großen offenen Gelände. Zerbröckelnde, mit grellen Farbklecksen bedeckte Mauern erstreckten sich unregelmäßig in die Ferne. Durch eingebrochene Decken konnte man in obere Stockwerke sehen. Man kam sich vor wie in den Ruinen eines modernistischen Schlosses. An einer Wand war ein futuristischer Soldat mit entblößter Brust, unglaublichen Muskeln und einem tragbaren Raketenwerfer in der Hand abgebildet, und darunter stand in großen blutroten Lettern der provokante Slogan: »PAINTBALL 3000 – ÜBERLEBEN TUT WEH«. Jetzt hatte Delaney eine Erklärung für die verschiedenfarbigen, an die Wände gespritzten Kleckse. Der post-apokalyptische Effekt zielte ganz offensichtlich auf die örtliche Yuppie-Szene ab. Kriegsspiele für erfolgreiche junge Leute, die Dampf abließen, indem sie so taten, als schössen sie sich gegenseitig über den Haufen. Über diese Ironie musste Delaney lächeln. Ein paar Kilometer die Straße hinunter taten die unzufriedenen jugendlichen

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